Das anrüchige Kunstgeschäft
7. Juli 2011Achtzehn Kunsthistorikerinnen und Kulturwissenschaftler haben zwei Jahre lang akribisch Aktenbestände, Dokumente und Nachlässe durchforstet – das Ergebnis: Auch Kunsthändler waren ein Teil des nationalsozialistischen Verfolgungssystems. "Sie haben von den staatlich angeordneten Enteignungen profitiert", sagt Christine Fischer-Defoy, die Vorsitzende des Vereins "Aktives Museum" und Kuratorin der Ausstellung im Centrum Judaicum Berlin.
Existenzvernichtung
Etwa ein Drittel der rund 800 Kunsthändler und Auktionatoren in Berlin war jüdischer Herkunft und wurde deshalb gezwungen, bis spätestens 1938 die Geschäfte aufzugeben. Gleichzeitig etablierten sich neue, nicht-jüdische Händler. Sie handelten nun, wie die Forscher herausfanden, mit Kunstwerken, die beschlagnahmt, enteignet oder unter Zwang verkauft worden waren, Kunstwerke, deren ursprüngliche Besitzer in die Emigration gezwungen oder deportiert worden waren. Galerien, Auktionshäuser und Kunsthändler - beaufsichtigt und reglementiert durch die nationalsozialistische Reichskulturkammer - profitierten also in mehrfacher Hinsicht von der Vertreibung der Juden: ein bislang kaum beleuchtetes Kapitel der NS-Geschichte.
Schicksale, Lebensläufe
Die Ausstellung dokumentiert auf vierzehn Tafeln vierzehn exemplarische Lebensläufe und zeigt ein differenziertes Bild: Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Profiteure, aber auch Zwischentöne. Die berühmte Galerie Flechtheim beispielsweise. Ihr Inhaber, Alfred Flechtheim, wurde verfolgt, weil er jüdischer Herkunft war, aber auch, weil er mit zeitgenössischer Kunst handelte, die die Nazis ablehnten und 1937 als "entartet" verfemten. Während Alfred Flechtheim Deutschland 1933 verließ und in Paris und London arbeitete, blieb seine Frau mit der Privatsammlung in Berlin. Das Paar hoffte, wie so viele, dass die nationalsozialistische Herrschaft nicht lange dauern würde. 1937 starb Alfred Flechtheim in London, seiner Frau gelang es nicht mehr zu emigrieren. Am Vorabend ihrer Deportation nahm sie sich in Berlin das Leben. Die Kunstsammlung Flechtheim ist bis heute verschollen.
Beispiel Hans W. Lange
Paul Graupe, ein renommierter Kunsthändler und Auktionator jüdischer Abstammung, war mit Sonderlizenz tätig, bis er 1939 emigrieren musste. Graupe übergab sein Geschäft seinem Mitarbeiter Hans W. Lange, der zu einem der größten Händler geraubter Kunst in Berlin wurde. Dass Lange ganze Wohnungsbestände emigrierter oder deportierter jüdischer Bürger übernahm, dokumentieren die ausgestellten Auktionskataloge. "Er war der größte Fisch unter den Kunsthändlern, die von der Verfolgung profitiert haben", sagt Kuratorin Christine Fischer-Defoy.
Beispiel Karl Nierendorf
Es gab jedoch auch Händler, die sich anders verhielten. Karl Nierendorf beispielsweise. Er war nicht jüdisch, handelte jedoch mit Werken der zeitgenössischen Moderne und konnte diese irgendwann weder verkaufen noch zeigen. Christine Fischer-Defoy hat über Karl Nierendorf - dessen Nachkommen heute noch eine Galerie in Berlin betreiben - geforscht: "1936, zu den Olympischen Spielen, ist es ihm noch gelungen, eine große Franz-Marc-Ausstellung zu machen, aber das war im Grunde seine Abschiedsausstellung in Berlin. Er ist im selben Jahr emigriert, nach New York gegangen und hat dann dort eine Kunsthandlung aufgemacht. Aber er hat sich, anders als andere, geweigert, moderne Kunst aus diesen beschlagnahmten Beständen zu verkaufen."
Wissenschaftler contra Kunsthändler?
Bei der Podiumsdiskussion anlässlich der Ausstellung saßen - was selten vorkommt - Provenienzforscher und Kunsthändler zusammen an einem Tisch und vertraten
unterschiedliche Auffassungen. Provenienzforschung, so meinte etwa der Berliner Auktionator Tilman Bassenge, sei dazu da, um die Echtheit eines Werkes zu bestätigen, nicht aber, um die früheren Besitzer ausfindig zu machen. Das reiche nicht, entgegnete die Wissenschaftlerin Meike Hoffmann von der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin. Man brauche auch die Namen der früheren Besitzer während der NS-Zeit, um zu erkennen, "wie die Mechanismen damals funktioniert haben". Den Wissenschaftlern, so Hoffmann, gehe es um Wissen – im Kunsthandel jedoch um Geld. Dies dürfe man nicht vergessen.
Autorin: Christiane Kort
Redaktion: Cornelia Rabitz
Die Ausstellung "Gute Geschäfte.Kunsthandel in Berlin 1933-1945" im Centrum Judaicum ist noch bis zum 31.7.2011 geöffnet.