Anreiz "Tsunami-Kuchen"
15. August 2005
DW-WORLD: Wie schätzen Sie die Lage vor Ort ein?
Susanne Schröter: Ich habe hier herum gefragt, ob es überhaupt jemanden gibt, der gegen den Frieden ist, und alle haben gesagt, es seien wirklich alle für den Frieden. Es besteht natürlich noch das Problem, dass sich sowohl Teile des Militärs, als auch der Rebellen-Bewegung GAM mit dieser Kriegsökonomie, die sich ja in den letzten 30 Jahren entwickelt hatte, einen ganz lukrativen Erwerb verschafft haben und dieser Erwerb jetzt wegfällt. Man überlegt, was man machen kann, damit man die Leute in irgendeiner Weise entschädigt. Das ist natürlich noch ein reales Problem, weil sich diese Kriegsökonomie etabliert hat, und davon einige Leute einfach gelebt haben und sehr gut profitiert haben. Aber die Mehrheit der Bevölkerung hat einfach auch die Schnauze völlig voll, sowohl vom Militär, als auch vom Terror der GAM.
Glauben Sie, dass die Konfliktparteien sich an die Vereinbarungen halten werden?
Es gibt ja eine ganz große Motivation, dass es sehr viel ausländisches Geld gibt, das hier verteilt werden kann, damit die Ökonomie hier tatsächlich einen Aufschwung erleben kann. Jeder weiß, wenn man nicht politisch irgendwie ein bisschen Fortschritte zeigt, dann wird das Geld, oder werden große Teile des Geldes, zurückgehalten. Dieser so genannte "Tsunami-Kuchen", der hier verteilt werden wird, an dem wollen natürlich alle partizipieren und das ist zumindest ein starker Anreiz, sowohl für die indonesische Regierung, Teile des Militärs, als auch für die GAM, endlich mal tatsächlich einen definitiven Frieden zu schaffen. Aber man weiß natürlich nicht, es gibt unter dem Deckmantel GAM, genauso wie unter dem Deckmantel des Militärs, natürlich auch unabhängige Milizen, von denen man gar nicht weiß, an was sie sich halten.
Wie sehen Sie die Rolle der EU in dem Prozess? Geht sie über eine symbolische Rolle hinaus?
Wohl kaum, aber das Symbolische wird hier als sehr wichtig empfunden. Man sagt, gerade weil formale Abkommen schon so oft gebrochen worden sind, gibt es dieses Mal einfach einen ganz anderen Aspekt, dass so viele Leute aus dem Ausland da sind, um Aceh zu helfen. Also genau das wird immer gesagt: Es sind nach dem Tsunami so viele gekommen und haben uns geholfen, und jetzt helfen sie uns, den Frieden zu etablieren. Das wird allgemein als wahnsinnig positiv angesehen. Und ich habe Statements vorher gehört, dass die Leute gesagt haben, das ist überhaupt das einzig neue an diesem Abkommen, dass so viele Leute aus der EU und auch aus asiatischen Ländern jetzt da sind, um das Monitoring zu machen, um zu schauen, ob das wirklich umgesetzt wird. Und durch diesen moralischen Druck würde auch der politische Druck aufgebaut.
Susanne Schröter hat den Lehrstuhl für Südostasienkunde I an der Universität Passau inne und führt zurzeit ein Post-Tsunami-Monitoring in Sri Lanka, Thailand und Aceh durch.