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Corona-Hilfen: Chance für Klima-Anpassung

Alistair Walsh
4. November 2021

Entwicklungsländer haben massive Finanzierungsprobleme bei der Anpassung an Klimaschäden. Dabei könnten Corona-Hilfen genutzt werden, um nachhaltige Anpassungmaßnahmen zu fördern, wie ein neuer UN-Bericht zeigt.

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Eine Frau geht mit einem Regenschirm durch die Trümmer, die ein Taifun auf den Philippinen hinterlassen hat.
Ein neuer UN-Bericht zeigt, dass die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen nicht ausreichtBild: Aaron Favila/picture-alliance/AP

Wie aus dem am Donnertag veröffentlichten "Adaptation Gap Report 2021" der Vereinten Nationen hervorgeht, müssten Entwicklungsländer bis zu zehn mal mehr öffentliche Gelder in Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel investieren als bisher, um Schäden durch Dürren, Überschwemmungen und anderen extremen Wetterereignissen zu minimieren.

Um die drohenden Gefahren einzudämmen, würden laut Bericht bis bis 2030 jedes Jahr rund 300 Milliarden Dollar (260 Mrd. Euro) und bis 2050 etwa 500 Milliarden Dollar jährlich gebraucht. Doch 2019 bekamen die Entwicklungsländer gerade mal 79,6 Milliarden Dollar Finanzmittel für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und für Maßnahmen zur Anpassung.

Der Bericht mit dem Titel "Der aufziehende Sturm" untersucht die Lücken bei Finanzierung, Wissen und Umsetzung bei der Klimaanpassung weltweit. 

Regierungen verpassten die Gelegenheit, die Rettungspakete der Corona-Pandemie in nachhaltige Wirtschaftszweige zu investieren und auf die heutigen und zukünftigen Folgen des Klimawandels zu reagieren, so die Autoren.

Landwirt verscheucht Heuschrecken
Von Heuschrecken bis Dürre: Landwirte müssen sich an den Klimawandel anpassen Bild: Baz Ratner/REUTERS

Das COVID-19 Problem

Die Bemühungen vieler Länder sich an den Klimawandel anzupassen wurden durch die Pandemie stark ausgebremst. Sie verschäfte bestehende gesellschaftliche Probleme, dabei kamen die Wirtschaft und finanzielle Mittel von Regierungen an ihre Grenzen. Auch die Kapazitäten der Katastrophbewältigung kamen angesichts der Verschärfung extremer Wetterlagen an ihre Grenzen. Das zeigt etwa das Beispiel der Fiji Inseln im Südpazifik, die im Mai 2020 von einem heftigen tropischen Zyklon getroffen wurden.

Zur Bewältigung der Pandemie wurden zwar umfangreiche Konjunkturpakete aufgelegt, doch das Geld hätte gleich auch gezielt in Frühwarnsysteme vor Stürmen, Hochwasserschutz und weitere Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel investiert werden können.

"COVID bietet im Prinzip eine riesige Chance, neue Strukturen für die internationale Koordination und Zusammenarbeit zu entwickeln. Dieses Potenzial wird derzeit nicht in dem Maße genutzt, wie es unserer Meinung nach möglich und notwendig wäre", sagte der Klimaexperte und Mitherausgeber des Berichts, Henry Neufeldt, der DW.

Von den insgesamt 16,7 Billionen Dollar, die derzeit für Konjunkturpakte ausgegeben werden, ist bisher nur ein winziger Teil in Anpassungsprojekte geflossen. 

"Es braucht mehr finanzielle Unterstützung. Und die Pandemie ist eine Gelegenheit, die notwendige Transformation dafür in Gang zu setzen," so Neufeld weiter.

Der Bericht beruft sich auch auf den "Build Back Better"-Ansatz der Weltbank, der hilft nachhaltige lang- und kurzfristige Anpassungsmaßnahmen zu identifizieren. Darunter fällt zum Beispiel der Ausbau einer resilienten Form der Stadtentwicklung, die die Anfälligkeit für einen Klimaschocks in einem Land verringert.

Anpassungsmaßnahmen hätten viele Formen, seien aber unerlässlich für das Überleben von Menschen, erklärte Koko Warner, zuständig für Bereich Klimagefährdung im Klimasekretariat der Vereinten Nationen (UNFCCC), die nicht an dem Bericht beteiligt war.

"Überall auf der Welt bekommen die Menschen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu spüren - unerwartet harte Winterstürme, schwere Dürren, Heuschreckenschwärme, die Ernten zerstören, lebensbedrohliche Hitzewellen, ein fortschreitender Anstieg des Meeresspiegels, der Menschen an den Küsten bedroht", so Warner gegenüber der DW von der Klimakonferenz COP26 in Glasgow.

"Diese Risiken verlangen von der Gesellschaft, sich anzupassen und sich zu verändern. Für unser Überleben sind wir alle auf eine stabile, sichere Umwelt angewiesen."

Ein Lichtblick?

Zum ersten Mal stellten die Autoren des Berichts auch Fortschritte fest. Obwohl die Finanzierung nach wie vor ein Problem ist, nehmen manche Projekte langsam Fahrt auf. Generell nehmen die Länder das Thema Anpassung ernster.

79 Prozent der Länder haben inzwischen ein Planungsinstrument zur Vorbereitung auf den Klimawandel eingeführt, etwa neue Gesetze, Leitlinien oder Strategien. Das ist ein Anstieg von sieben Prozent gegenüber 2020. Andere Länder bereiten solche Pläne jetzt vor. 

Die Wildlife Conservation Society, eine Naturschutzorganisation, die Anpassungsprojekte zum Schutz von Wildtieren finanziert, sagt der Bericht spiegele weitgehend die Realität vor Ort wieder. 

"Es gibt einige Fortschritte bei Investitionen in Anpassung und bei der Anpassungsplanung auf Länderebene, aber diese Bemühungen müssen ausgeweitet werden, um den wachsenden Risiken durch den Klimawandel zu begegnen, denen die Menschen und die Natur ausgesetzt sind," sagte Molly Cross, wissenschaftliche Direktorin des WSC Climate Adaptation Fund.

Ein entscheidender Punkt um den Menschen bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen seien der Schutz und die Wiederherstellung intakter und gesunder Ökosysteme, so Cross gegenüber der DW. "Wir müssen in erheblichem Umfang in Maßnahmen investieren, die den Menschen und der Natur helfen, mit den Auswirkungen des Klimawandels fertig zu werden und sich darauf einzustellen".

Als Vorzeigeprojekt hebt der Bericht etwa Gambias Bemühungen zur Anpassung in vier Regionen hervor.

Dort wird in die Bodensanierung auf landwirtschaftlicher Flächen, Savannen und Wäldern mit einheimischen Arten investiert und gleichzeitig wird eine auf natürlichen Ressourcen basierende lokale Wirtschaft aufgebaut. 

In Albanien arbeitet ein weitere Initiative an der Wiederherstellung des Lagunensystems von Kune-Vain. So sollen Überschwemmungen in angrenzenden Gebieten verhindert und die Lebensgrundlage der Menschen gesichert werden. 

Die Dynamik nimmt zu, Finanzierungsprobleme bleiben

Sind solche und weitere Projekte erfolgreich, kann sich laut Warner vom UNFCCC eine Dynamik entwickeln, die Anpassungsmaßnahmen in großem Stil möglich macht.

"Wenn Menschen sehen, dass diese Initiativen zu guten Ergebnissen führen und Gemeinden dann auch den Anspruch haben selber Teil dieser Initiativen zu sein, werden wir enorme Veränderungen erleben", sagt sie.

"Wir haben allen Grund, optimistisch zu sein, denn wir können die Zukunft gestalten. Was wir hier auf der COP26 erreichen, und das, was wir in unseren Familien, unter Gleichgesinnten und in unseren Institutionen tun, wird dazu beitragen, die Stabilität, die Sicherheit und das Wohlergehen von Mensch und Natur auch im Kontext des Klimawandels zu sichern."

Bei allem Optimismus, der Bericht macht klar: Mehr Gelder müssen in Direktinvestitionen fließen, Investitionsbarrieren für den privaten Sektor abgebaut werden. Die Autoren fordern auch einen Schuldenerlass für Entwicklungsländer, denn die Schulden behinderten ihre Möglichkeiten sich dem Klimawandel anzupassen.

"Es ist wirklich wichtig, den finanziellen Druck von den Entwicklungsländern zu nehmen. Hier können entwickelte Industrieländer einen wichtigen Beitrag leisten", so der Mitautor Neufeldt.

Die Finanzierung von Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen müsse Hand in Hand gehen, denn selbst wenn die Welt den Ausstoß von Treibhausgasen stark reduziert und es schafft, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen besonders ärmere Länder im globalen Süden immer noch mit dem fundamental veränderten Klima zurechtkommen.

"Die Auswirkungen des Klimawandels werden uns über viele hundert Jahre begleiten. Doch wenn wir schnell handeln um den Klimwandel zu begrenzen, können wir zukünftigen Auswirkungen erheblich eindämmen. Wir werden nicht alle Folgen verhindern können. Anpassungsmaßnahmen könne die Risiken aber minimieren,” so Neufeldt.