Annan gibt auf
3. August 2012Kofi Annans Erklärung, seine Vermittlerrolle zwischen den Bürgerkriegsparteien in Syrien nach Ablauf seines Mandats Ende August nicht mehr fortsetzen zu wollen, ist weltweit mit Bedauern und Ernüchterung aufgenommen worden. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Die Vereinten Nationen, die Arabische Liga und mit ihnen die syrische Zivilgesellschaft müssen mit Annan auf die Dienste eines Diplomaten verzichten, der von vielen geschätzt wird. Außerdem macht sein Rückzug deutlich, dass der Konflikt sich mit diplomatischen Mitteln kaum mehr beilegen lässt.
Es gebe "Unstimmigkeiten innerhalb der internationalen Gemeinschaft", was seine Aufgabe erschwere, erklärte Annan und gab so seinem Empfinden Ausdruck, von der im UN-Sicherheitsrat versammelten Internationalen Gemeinschaft nicht hinreichend unterstützt worden zu sein. "Während die syrische Bevölkerung verzweifelt nach Taten verlangt, gehen die gegenseitigen Schuldzuweisungen im Sicherheitsrat weiter", kritisierte der Diplomat.
Reaktionen aus Deutschland
Dazu äußerte sich auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. "Es ist deutlich, dass Kofi Annan sein Amt auch wegen der Blockadehaltung im Sicherheitsrat niederlegt, die Russland und China zu verantworten haben", ließ er am Donnerstag (02.08.2012) mitteilen. Assad habe seine Zusagen nicht eingehalten. Deshalb, erklärte Westerwelle, sei es "höchste Zeit, dass Russland und China ihm ihre schützende Hand entziehen." Assads Nachfolger könne nur dann Erfolg haben, wenn die internationale Gemeinschaft geschlossen agiere.
Auch andere deutsche Politiker äußern sich bestürzt über Annans Erklärung, sein Mandat nicht wieder aufnehmen zu wollen. "Für mich ist es ein dramatisches Signal, dass ein so renommierter Mann wie Annan, der alles versucht hat, sagt, ich kam nicht weiter", erklärte Rainer Stinner, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das heißt, von außen ist dieser Bürgerkrieg mit den gegenwärtigen Mitteln nicht zu begrenzen und zu beenden", so der liberale Politiker.
Kampf an zwei Fronten
Teile der syrischen Opposition hatten Annans Mission schon seit geraumer Zeit mit Skepsis betrachtet. Es sei schwierig, allzu große Hoffnung an diplomatische Initiativen zu knüpfen, erklärte Rafif Jouejati schon Mitte Juli im Gespräch mit der DW. Die Sprecherin der lokalen Koordinierungskommission reagierte damit auf das Massaker von Tremseh. Sie wisse nicht, ob man allzu große Erwartungen an eine politische Lösung des Konflikts stellen könne. "Denn ganz offenbar will Assad die Macht nur dann abgeben, wenn er mit Gewalt dazu gezwungen wird."
Aus Sicht der Opposition war die Weigerung, mit Assad Gespräche zu führen, eine naheliegende Option. Für Annan hingegen wurde das zum unüberwindlichen Hindernis für einen diplomatischen Erfolg. Nicht minder hoch waren die Hürden, die ihm das Assad-Regime selbst in den Weg legte. Annan, erklärt der Politikwissenschaftler Michael Brzoska, Wissenschaftlicher Direktor des "Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg" im Gespräch mit der DW, habe an zwei Fronten kämpfen müssen.
Zu Beginn seiner Mission habe der Diplomat durchaus Chancen gehabt, seine Mission zum Erfolg zu führen. Denn anfangs habe die Regierung Assad Gesten des Entgegenkommens gezeigt. So habe sie ein Referendum über eine neue Verfassung organisiert und zudem angekündigt, das Parteiensystem öffnen zu wollen. "Aber diese Angebote waren nie besonders glaubwürdig. Und es war auch immer klar, jedenfalls aus Sicht der Opposition, dass an den grundsätzlichen Machtverhältnissen in Syrien, nämlich daran, dass der Assad-Clan und die Alawiten, die diesen Plan unterstützen, an der Macht bleiben sollte." Andererseits habe die Opposition sehr früh versucht, eine militärische Stärke zu erreichen, die politische Kompromisse überflüssig werden lasse. "Das heißt, auch auf Seite der Opposition war die Bereitschaft zur Kompromissfindung nicht besonders groß."
Rücktritt konsequent
Vielleicht wäre die Kompromissbereitschaft größer gewesen, hätten sich Russland und China dazu entschließen können, größeren Druck auf Assad auszuüben - und darüber dann auch seine Gegner zu behutsamerem Vorgehen zu bewegen. Doch die starre Haltung der beiden Großmächte habe Assad die Arbeit nicht leicht gemacht, erklärt Brzoska. Angesichts dieser beiden Fronten habe Annan nun eine nachvollziehbare Entscheidung getroffen. "Sein Rücktritt ist konsequent, denn die Aussichten, hier noch diplomatisch etwas zu lösen, sind praktisch gleich null."
Umso mehr, erklärt FDP-Außenpolitiksprecher Rainer Stinner, sind Deutschland und Europa nun angehalten, mäßigend auf den Konflikt einzuwirken - und zwar durchaus im eigenen Interesse. Es gelte, um jeden Preis zu verhindern, dass der Konflikt von Syrien auf die Nachbarländer übergreift. "Syrien ist vielfältig eingebettet in die Region, und eine Entgrenzung dieses Bürgerkrieges hätte unabsehbare Konsequenzen. Sie würde die Region weiter destabilisieren. Das kann nicht in unserem Interesse sein."
Der deutsche Weg
Darum sei auch der Kurs klar, den Deutschland im Hinblick auf Syrien in den kommenden Wochen und Monaten einschlagen werde. In allererster Linie gehe es nun darum, dazu beizutragen, den Konflikt auf friedliche Weise zu lösen. "Wir sind bisher nicht in der Position, dass wir sagen, wir wollen eine militärische Einwirkung von außen, weil das weitere unabsehbare Konsequenzen hätte. Alle anderen Wege sollten gegangen werden. Da ist Deutschland an der Seite Europas", so Stinner.
Die bevorstehende Aufgabe dürfte schwierig werden. Trotzdem wird der Satz, dass die Hoffnung zuletzt stirbt, auch in Diplomatenkreisen gern bemüht. Und auch Kofi Annan mag trotz des Verzichts auf eine weitere Mission seine Hoffnung nicht fahren lassen. "Die Welt ist voller verrückter Leute", fügte er seiner Erklärung hinzu und meinte auch sich selbst damit. "Seien sie also nicht überrascht, wenn Generalsekretär Ban jemanden findet, der eine bessere Arbeit macht als ich."