1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Angst vor giftigen Gasen auf La Palma

29. September 2021

Anwohner sollen in den Häusern bleiben und Fenster und Türen abdichten. Was sind das für Gase, die beim Kontakt der Lava mit dem Salzwasser entstehen können?

https://p.dw.com/p/412R4
Nächtliche Ansicht des Lavastroms: Auf La Plama hat die Lava die Küste erreicht und schließt ins Meer
Beim Zusammentreffen von Lava und Meerwasser werden riesige, möglicherweise giftige Dampfschwaden freigesetztBild: Angel Medina/Agencia EFE/imago images

Das Aufeinandertreffen von Lava und Meerwasser hat die dramatische Lage auf La Palma noch einmal deutlich verschärft. Die Sicherheitsbehörden wiesen die Menschen an der Westküste der Kanareninsel an, ihre Häuser und Wohnungen nicht zu verlassen und Fenster und Türen abzudichten. Außerdem sollten die Bewohner Mund und Nase mit nassen Tüchern bedecken, um die Atemwege zu schützen.

Die Sorge ist mehr als berechtigt, denn beim Zusammentreffen der etwa 1000 Grad heißen Lava und dem im Moment etwa 20 Grad warmen Meerwasser kommt es zu einem gewaltigen Temperaturschock, der nicht nur gewaltige Explosionen verursachen kann. Zudem werden riesige Dampfschwaden freigesetzt, die giftige, mit Salzsäure versetzte Gase und winzige Vulkankristalle enthalten können, die für den Menschen sehr gefährlich sein können.

Polizisten weisen vor dem lavaspuckenden Vulkan mit ausgebreiteten Armen Menschen zurück
Die Sicherheitsbehörden wiesen Anwohner an, im Haus zu bleiben und Fenster und Türen abzudichtenBild: Emilio Morenatti/AP Photo/picture alliance

Gefährliche chemische Reaktion

Zwar besteht die Dampfsäule überwiegend aus harmlosem Wasserdampf, aber eben nicht nur. Denn beim Aufeinandertreffen kommt es zusätzlich zu einer chemischen Reaktion. Wenn sich kleinste Partikel von Schwefelsäure (H2SO4) aus der Lava mit dem natürlichen Chlor aus dem Meerwasser, also der Salzsäure HCL verbinden, entstehen toxische Gase, die ebenfalls in sehr großer Menge freigesetzt werden.

Salzsäure, die wässrige Lösung von Chlorwasserstoff, ist farblos, ätzend und giftig. Erste Symptome bei einer niedrigen Konzentration sind etwa die Reizung der Augen oder des Rachens.

Sind Menschen allerdings länger diesem toxischen Gas ausgesetzt oder kommen sie mit einer höheren Konzentration in Kontakt, kommt es zu schweren Atembeschwerden, die auch zum Tod führen können, weil sich Flüssigkeit in der Lunge sammelt.

Bei der letzten Eruption auf La Palma vor rund 50 Jahren starb eine Person durch das Einatmen solcher Gase, und das einige Kilometer von der Stelle entfernt, wo die Lava auf das Meer traf.

Toxische Gase

Neben Salzsäure kann möglicherweise auch Flusssäure, auch Fluorwasserstoffsäure genannt, entstehen, die ebenfalls sehr leicht ins Gewebe eindringen kann und stark ätzend wirkt. Bei einer niedrigen Konzentration kann sie ebenfalls Reizungen des Rachenraumes, der Bronchien und der Lunge bewirken.

In höherer Konzentration kann die farblose, stechend riechende, hochgiftige Flusssäure aber auch das Nervensystem schädigen, den Calcium- und Magnesiumstoffwechsel blockieren und wichtige Enzyme hemmen. Dies kann zu einem multiplen Organversagen und damit zum Tod führen.

Gefährliche Kristalle in der Vulkanasche

Neben diesen unsichtbaren, teilweise sogar geruchlosen Gasen gibt es aber auch noch die Gefahr durch winzige Kristalle aus der Lava. Denn Vulkanasche enthält mineralische Partikel, die tief in die Lunge eindringen können. Auch wenn die heiße Lava auf das kühle Meerwasser trifft, können sich explosionsartig winzige Kristalle bilden, die in der Luft schweben. Wenn sie von Menschen eingeatmet werden, können sie in der Lunge schwere Schäden hinterlassen. 

Infografik - Vulkanausbruch - DE

Geologen der Universität Santiago de Chile konnten in Vulkanasche faserförmige Partikel des Minerals Christobalit nachweisen, die kleiner als vier Mikrometer sind und somit ungefiltert in die Lunge eindringen können. Wer solche Fasern längere Zeit einatmet, kann eine Staublunge entwickeln oder in der Folge an Lungenkrebs erkranken. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung stuft faserförmiges Christobalit als ähnlich gefährlich   wie Asbest ein.

Windrichtung entscheidend

Von zentraler Bedeutung wird daher sein, aus welcher Richtung und mit welcher Stärke der Wind in den kommenden Tagen weht. 

Gewöhnlich weht der Wind zu dieser Jahreszeit vom Vulkan weg Richtung Meer. Das würde auch die hoch giftige Wolke auf das Meer hinaustreiben und die Menschen auf der Insel wären weniger gefährdet. Aktuell weht der Wind aber laut Angaben der kanarischen Sicherheitsbehörden aus dem Süden. 

Instabiles Lava-Delta

Bislang nicht abzusehen ist auch, wie sich die Stelle entwickelt, an der die Lava auf das Meer trifft. Vulkanologen bezeichnen diese Stelle als "Lava-Delta". 

Das Kamokuna Lava Delta auf Hawaii bricht zusammen und stürzt ins Meer
2016 bracht das Kamokuna Lava-Delta auf Hawaii zusammen und bildete eine gewaltige Dampfwolke.Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Turpin

Solche Lava-Deltas sind allerdings meistens relativ instabil und wenig tragfähig. Wenn zum Beispiel große Wellen gegen die Lava und das neugebildete Delta knallen, kann das neugebildete Delta möglicherweise einstürzen. 

Dann werden in kürzester Zeit riesige Mengen Lava mit dem Meerwasser in Berührung kommen. Dies könnte sehr starke phreatische Explosionen, also Explosionen wassergefüllter Hohlräume, den Zusammenbruch der umgebenen älteren Kliffs und zudem die Bildung einer gewaltigen Dampfwolke mit giftigen Gasen auslösen. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund