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Angola: Frieden ohne Demokratie

Johannes Beck4. April 2007

Nach fünf Jahren Frieden in Angola ist die Bilanz gemischt: Zwar hat des Land nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges die Waffen niedergelegt, doch herrschen Demokratiedefizite und Korruption.

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Angolanische Kinder beim Wasserholen aus einem Fluss.
Trotz fünf Jahren Frieden gibt es große Probleme in AngolaBild: AP

"Endlich Frieden!" haben sich viele Angolaner gedacht, als am 4. April 2002 ein Waffenstillstand zwischen der Regierung und der Rebellengruppe UNITA (União Nacional para a Independência Total de Angola) in Kraft trat. 42 Jahre lang hatte das Land unter Bürgerkriegen gelitten. Etwa jeder Zwanzigste Angolaner rettete sich ins Ausland, fast jeder zweite Angolaner floh in andere Regionen des eigenen Landes. Dass diese Flüchtlinge in den letzten Jahren Schritt für Schritt zurückkehren konnten, gehört für Rafael Marques, den prominentesten angolanischen Menschenrechtsaktivisten, zu den positivsten Aspekten des Friedens.

"Zuerst fällt mir als Bilanz der Geist der Toleranz und der spontanen Verständigung ein, den die Bevölkerung in den vergangenen fünf Jahren gezeigt hat", sagte Marques. Es habe keine Fälle von politischer Gewalt gegeben, die von der Bevölkerung ausgegangen wären, auch nicht aufgrund von Rache oder Hass. Das zeige die große Reife der Angolaner.und sei der größte Gewinn der vergangenen fünf Jahre des Friedens. Für Marques steht fest, "dass die Angolaner in Wirklichkeit den Krieg nicht wollten, dass sie mit dem Krieg eigentlich nichts zu tun hatten und er ihnen aufgezwungen wurde."

Angola als Schauplatz des Kalten Krieges

Begonnen hatte der Krieg, als sich mehrere Gruppen ab 1961 gegen die portugiesische Kolonialmacht auflehnten - unter anderem die von der Sowjetunion und Kuba unterstützte MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola). Sie übernahm nach der Unabhängigkeit 1975 auch die Macht in Luanda und beherrscht bis heute das Land. Eine zweite Gruppe, die UNITA, wurde dagegen anfangs von der Volksrepublik China unterstützt. Nach der Unabhängigkeit Angolas wechselte ihr Führer Jonas Savimbi die Fronten. Fortan bekämpfte er mit der Hilfe Südafrikas und der USA den Vormarsch des Kommunismus im südlichen Afrika.

Kubanische Soldaten trainieren mit Mitgliedern der MPLA. Quelle: AP 1976
Internationalisierung des Bürgerkrieges: Kubanische Soldaten in Angola 1976Bild: AP

Angola wurde in den Folgejahren Schauplatz eines der blutigsten Stellvertreterkriege zwischen Ost und West. Auf der Seite der MPLA-Regierung kämpften bis zu 50.000 Soldaten aus Kuba. Die UNITA zählte dagegen auf die Hilfe der Armee des südafrikanischen Apartheid-Regimes. Während sich die MPLA-Regierung vor allem in den 1990er-Jahren mit Exporten des neu gefundenen Öls finanzierte, verkaufte die UNITA in Angola geförderte Blut-Diamanten. Die Kriegsparteien konnten so ihre Armeen hoch rüsten und den Krieg verlängern.

Schwieriger Weg zum Frieden

1991 waren beide Seiten erstmals kriegsmüde. Der Kalte Krieg war nach dem Fall der Berliner Mauer zu Ende, Stellvertreterkriege zwischen Ost und West aus der Mode gekommen. In Bicesse bei Lissabon schlossen MPLA und UNITA ein erstes Friedensabkommen. 1992 fanden freie Wahlen statt. Die MPLA gewann, die UNITA verlor. Ihr Führer Jonas Savimbi akzeptierte die Niederlage aber nicht und zog erneut in den Krieg.

Auch ein zweites Friedensabkommen, das 1994 in Lusaka geschlossen wurde, scheiterte. Der Weg zum Frieden war erst frei, nachdem Soldaten der Regierung am 22. Februar 2002 bei Gefechten in Ost-Angola den UNITA-Rebellenführer Jonas Savimbi töteten. Savimbis Tod hinterließ eine völlig demoralisierte UNITA, die schnell einem Waffenstillstand einwilligte.

Flüchtlingslager 2002
Flüchtlingslager 2002Bild: AP

Vítor Pedro, ein Soldat, der 17 Jahre lang für die UNITA gekämpft hatte, sagte damals: "Wir wollen wirklich nur noch Frieden. Frieden für alle Angolaner, damit das ganze Volk in Ruhe leben, essen, arbeiten und andere Dinge tun kann." Fast alle Stadtviertel seien im Krieg zerstört worden, so Pedro weiter, und viele Dinge im Krieg kaputt und verloren gegangen.

Ungelöste Spätfolgen

Das Erbe des Krieges lastet heute noch auf Angola: Nicht zuletzt, weil die Kriegsparteien insgesamt zwischen fünf und sieben Millionen Landminen verlegt haben. Mit der Hilfe zahlreicher Nichtregierungsorganisationen hat die Regierung die Straßen des Landes inzwischen so gut wie vollständig von Minen befreien können. Doch der weitaus größte Teil der Minen ist bis heute nicht geräumt.

Wer 2002 gehofft hatte, der Waffenstillstand würde neben dem Frieden auch Demokratie ins Land bringen, wird enttäuscht sein. Zwar herrscht eine Versöhnungs-Regierung mit MPLA- und UNITA-Ministern. Doch die eigentliche Macht konzentriert sich beim Präsidenten Eduardo dos Santos, der seit 1979 regiert.

Demokratiedefizite

Angolas Präsident Eduardo dos Santos
Angolas Präsident dos SantosBild: AP

Eduardo dos Santos hatte zwar nach dem Waffenstillstand neue Wahlen angekündigt, sie aber immer wieder verschoben. Eigentlich sollten sie 2004 stattfinden, inzwischen sind sie für 2008 vorgesehen. Und so sitzen im Parlament weiter die Parteien, die bei dem letzten Urnengang 1992 gewählt wurde - zum Leidwesen des derzeitigen Chefs der UNITA, Isaisas Samakuva: "Fünf Jahre sind nun seit dem Ende des Krieges vergangen. Fünf Jahre: das ist länger als eine Amtszeit der Regierung. Aber es ist seitdem nichts passiert."

Der Menschenrechtler Marques kritisiert ebenfalls die fehlende Demokratisierung: "Wir haben weiter keine Demokratie. Im Gegenteil: Wir erleben jeden Tag, wie die absolute Macht des Präsidenten und der Institutionen, die seine Macht repräsentieren, gefestigt werden." Unglücklicherweise sehe er nicht, dass die Angolaner in einer reifen und ernsthaften Weise an den Entscheidungen darüber beteiligt würden, welche Richtung das Land einschlage.

Ölmilliarden führen zu starkem Wirtschaftswachstum

Schlecht ist es nach der Meinung von Rafael Marques auch um die Pressefreiheit bestellt. Sie sei inzwischen geringer als noch in den letzten Kriegsjahren. Die Regierung habe inzwischen ihren Einfluss weiter ausgebaut. Gut geht es seit dem Waffenstillstand dagegen der angolanischen Wirtschaft. Sie boomt. Im Durchschnitt wächst sie seitdem über 12 Prozent pro Jahr. Für den Aufschwung sorgen die Erdölvorkommen vor der Küste Angolas, die in diesem Jahr voraussichtlich etwa 30 Milliarden US-Dollar Exporteinnahmen bringen werden.

Angolanische Ölplattform vor der Küste des Landes, Quelle: AP
Öl ist der Schlüssel zu Angolas Wirtschaftswachstum: Große Teile der Einnahmen versickern im Korruptionssumpf.Bild: AP

Die Öl-Einnahmen tauchen allerdings oft nicht einmal im Staatshaushalt auf, sondern werden über Parallelhaushalte wie etwa den der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol verwaltet. Das kritisiert auch der Afrika-Experte der deutschen Menschenrechtsorganisation "Gesellschaft für bedrohte Völker", Ulrich Delius: "Angola gilt als eines der am wenigsten gelungenen Experimente, was die Gewährleistung von Transparenz in der Ölindustrie bedeutet. Man hat in Angola wirklich über Jahre hinweg systematisch die Korruption genährt."

Fehlende Friedensdividende für die Mehrheit

Vom Ölboom profitiert in erster Linie eine kleine, korrupte Oberschicht des Landes. Legendär ist insbesondere der Reichtum der Familie des Präsidenten José Eduardo dos Santos. Für den Durchschnitts-Angolaner hat sich auf dem Papier das Pro-Kopf-Einkommen seit dem Ende des Krieges etwa verfünffacht. Es stieg von 650 US-Dollar auf etwa 3000 US-Dollar. Zahlreiche Angolaner leben aber weiter in absoluter Armut. So starben bisher über 3000 Menschen an der im vergangenen Jahr in der Hauptstadt Luanda ausgebrochenen Cholera-Epidemie. Wie wenig von dem Ölreichtum bei der Bevölkerung ankommt, zeigt auch ein Blick auf die Kindersterblichkeit: Mit 154 Toten pro Tausend Kinder belegt Angola den vorletzten Platz in der Welt – nur Sierra Leone steht noch schlechter da.

Für viele Angolaner ist die Friedensdividende also noch ausgeblieben. Und wenn man genau hinblickt, so herrscht nicht einmal in ganz Angola Frieden. In der ölreichen Enklave Cabinda im Norden des Landes schwelt seit Jahren ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung und der Unabhängigkeitsbewegung.