Angola: Tiefer Fall des dos-Santos Clans
26. September 2018In Luanda schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: José Filomeno dos Santos, Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten José Eduardo dos Santos, wurde am Montag in Luanda verhaftet und sitzt in Untersuchungshaft. Die Liste der Vorwürfe gegen ihn ist lang: Es geht unter anderem um die Bildung einer kriminellen Vereinigung, um illegale Bereicherung, Geldwäsche und Korruption, so die angolanische Staatsanwaltschaft.
Unter anderem untersucht sie ob Geldtransfers ins Ausland in Höhe von 500 Millionen Dollar rechtmäßig waren, die José Filomeno dos Santos während seiner Zeit als Aufsichtsratsvorsitzender des angolanischen Staatsfonds angewiesen hat. "Zénu" - wie José Filomeno dos Santos in Angola genannt wird - ist tief gefallen.
Noch vor drei Jahren wurde der heute 40-jährige als möglicher Nachfolger seines Vaters im Präsidentenamt gehandelt. Die vom Vater ins Spiel gebrachte "dynastische Lösung" für das höchste Staatsamt kam aber nicht zustande. Stattdessen setzte sich Ex-Verteidigungsminister João Lourenço in den Gremien der Regierungspartei MPLA durch. Im September 2017 übernahm Lourenço das Amt des Staatspräsidenten und knapp ein Jahr später auch den Parteivorsitz der MPLA, der "Volksbewegung für die Befreiung Angolas".
Das Aufräumen beginnt schnell
Bereits im ersten Amtsjahr deutete sich an, dass João Lourenço es tatsächlich ernst meint mit dem Kampf gegen Personenkult, Vetternwirtschaft und Korruption: Schnell ersetzte Lourenço mehrere Provinz-Gouverneure, Minister sowie hohe Beamte. Auch in den Staatsbetrieben, wo viele Posten mit engen Vertrauten oder Familienangehörigen seines Vorgängers besetzt waren, räumte er auf. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Die Entlassung der Tochter des Ex-Präsidenten, Isabel dos Santos, die der Vater zuvor an die Spitze des staatlichen Ölkonzerns Sonangol gehievt hatte.
Lourenço kündigte auch viele Aufträge, die der angolanische Staat mit Firmen des dos-Santos-Clans abgeschlossen hatte. Die wohl wichtigste Personalie folgte im Januar dieses Jahres: die Entlassung von Zénu dos Santos als Chef des 5 Milliarden-US-Dollar-schweren staatlichen Öl-Fonds. Kurz darauf nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Zénu dos Santos auf. Es folgte eine formelle Anklage und jetzt sogar die Untersuchungshaft.
Wie ernst meint es Lourenço?
"Das ist der Wahnsinn, eine noch vor einem Jahr nicht für möglich gehaltene Entwicklung ", sagt der angolanische Jurist Nelson Domingos im DW-Interview. Und dabei gehe es nicht nur der dos-Santos-Familie an den Kragen, sondern zum Beispiel auch dem Ex-Präsidenten der Angolanischen Zentralbank, Valter Filipe, betont Domingos. Auch gegen Filipe war in der vergangenen Woche formell wegen Geldwäsche Anklage erhoben worden. Lourenço und seine Leute seien wirklich entschlossen, die alten, korrupten Strukturen aufzubrechen und gehen dabei äußerst strategisch, Schritt für Schritt, vor, so Domingos weiter.
"Es ist noch viel zu früh für ein endgültiges Fazit", meint hingegen der politische Analyst und Journalist Alexandre Solombe. Man müsse nämlich bedenken, dass das Thema Korruptionsbekämpfung überhaupt nicht neu sei in Angola. "Bereits in den 90er Jahren, während des zweiten Parteikongresses, ist es von der MPLA-Partei, damals noch unter der Führung von dos Santos, auf die Tagesordnung gesetzt worden, aber das Ganze erwies sich als reines Strohfeuer. Die Verhaftung von Zénu dos Santos bedeutet also nicht, dass der Kampf gegen die Korruption bereits gewonnen ist", so Solombe.
Viele Angehörige der angolanischen Zivilgesellschaft teilen die Skepsis: Menschenrechtsanwalt Zola Bambi befürchtet, dass João Lourenço in Versuchung geraten könnte, die "dos-Santos-Kleptokratie" durch eine neue, seine eigene, Kleptokratie zu ersetzen: "Unser Verfassungssystem überträgt der Exekutive, also dem Präsidenten und seiner Regierung, einfach zu viel Macht. In Angola ist der Präsident quasi einem Kaiser gleichgestellt." Die Gefahr sei groß, dass João Lourenço früher oder später genau das macht, was sein Vorgänger auch gemacht hat, so Jurist Zola Bambi.
Die Geschäfte der Familie dos Santos
Fast vier Jahrzehnte lang bestimmte die Familie dos Santos, allen voran Ex-Staatspräsident José Eduardo dos Santos, die politischen und auch wirtschaftlichen Geschicke des Landes.
Sohn Zénu dos Santos, Jahrgang 1978, legte unter der Regentschaft seines Vaters eine Blitzkarriere hin: 2008 gründete er die erste private Investitionsbank Angolas, die Banco Kwanza Invest. Parallel dazu baute er die Afrikanische Innovationsstiftung mit Sitz in Zürich auf, die nach eigenen Angaben "die Förderung und Unterstützung von Projekten zur nachhaltigen Entwicklung von Ländern auf dem afrikanischen Kontinent" bezweckt. Diese Stiftung geriet schnell ins Fadenkreuz der schweizerischen Staatsanwaltschaft: Sie ermittelte wegen des Verdachts der Geldwäsche, stellte die Ermittlungen aber bald wieder ein.
2013 - im Alter von 35 Jahren - wurde Zénu von seinem Vater mit der Leitung des "Fundo Soberano de Angola", des staatlichen angolanischen Ölfonds, betraut. Die Hälfte der Gelder, circa 2,5 Millarden US-Dollar - wurde langfristig dem Finanzdienstleister Quantum Global zur Verwaltung übertragen. Diese Firma war vom Schweiz-Angolaner Jean-Claude Bastos de Morais gegründet worden, der mit Zénu dos Santos seit langem enge Geschäftsbeziehungen pflegt. Neben Jean-Claude Bastos de Morais gehörte auch der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Ernst Welteke, jahrelang zu Zénu dos Santos Geschäftspartnern.
Isabel dos Santos - die reichste Frau Afrikas
Die älteste Tochter des Ex-Präsidenten Isabel dos Santos konnte in wenigen Jahren ein großes Firmenimperium errichten und stieg nach Angaben von Forbes zur "reichsten Frau Afrikas" auf. Sie hält Beteiligungen an Hunderten Unternehmen unterschiedlicher Branchen - Telekommunikation, Diamantenhandel, Presse, Tourismus oder Immobilien - in Angola, in Portugal und anderen Ländern.
Kurz nach dem Abtritt ihres Vaters wurde Isabel dos Santos per Dekret des neuen Präsidenten João Lourenço vom Posten der Chefin des staatlichen Ölkonzerns Sonangol entfernt. Die Geschäftsbeziehungen ihrer vielen Privatunternehmen mit dem Staat wurden einer Prüfung unterzogen. Mehrere Verträge hat die angolanische Regierung bereits gekündigt.
Auch Isabel dos Santos steht inzwischen im Fadenkreuz der angolanischen Justiz. Die angolanische Staatsanwaltschaft ermittelt, ob die lukrativen Verträge, die sie während der Regentschaft ihres Vaters mit dem angolanischen Staat abgeschlossen hat, die nötige Transparenz gehabt haben.
Isabel dos Santos hält sich in den vergangenen Monaten übrigens verstärkt im Ausland auf. Es heißt sie fliege - aus rein geschäftlichen Gründen - zwischen Lissabon und London hin und her. "Nach der Verhaftung von Zénu dos Santos überlegt sie vermutlich dreimal, bevor sie nach Luanda zurückfliegt", vermutet der angolanische Journalist Alexandre Solombe.
Mitarbeit: Nádia Issufo