Angeklagter gesteht Mord an van Gogh
11. Juli 2005Er übernehme die volle Verantwortung für seine Tat, sagte Mohammed Bouyeri am Dienstag (12.7.2005) vor dem Amsterdamer Gericht. "Ich kann Ihnen versichern, wenn ich eines Tages frei kommen sollte, würde ich dasselbe noch einmal tun", fügte der 27-Jährige hinzu, der
zuvor die Aussage verweigert hatte. Er habe allein im Namen seiner Religion gehandelt, sagte der Angeklagte bei seinem Geständnis weiter. Er hatte zum Prozessauftakt am Montag noch jegliche Aussage verweigert und auf eine Verteidigung verzichtet. Dies wurde als Missachtung des Gerichts gewertet. Am Dienstag wandte er sich, bekleidet mit traditionellem muslimischem Gewand und Kopfbedeckung, bei seiner Aussage auch an die Mutter seines Opfers. "Sie sind der einzige Mensch, dem gegenüber ich irgendeine Verpflichtung verspüre", sagte der 27-Jährige auf Niederländisch, nachdem er zuvor seinen Gott Allah auf Arabisch angerufen hatte. "Aber ich verspüre nicht Ihren Schmerz, weil Sie eine Ungläubige sind."
Lebenslänglich
Der Staatsanwalt Frits van Straelen forderte lebenslange Haft für den Angeklagten. Er sagte es sei endgültig bewiesen, dass der Angeklagte den Regisseur vorsätzlich und mit terroristischen Zielen getötet habe. "Das Ziel war, Angst in der Bevölkerung zu verbreiten und die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Niederlande zu zerstören. Wir müssen entschlossen vorgehen und den Angeklagten aus unserer Demokratie entfernen." Das Urteil in dem Prozess soll am 26. Juli verkündet werden.
Keine Verteidigung
Mit einem Koran unter dem Arm war der mutmaßliche Mörder des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh zu seinem Prozess in Amsterdam erschienen. Der 27-jährige Mohammed Bouyeri, in Amsterdam geborener Sohn marokkanischer Einwanderer, ließ seinen Anwalt Peter Plasman mitteilen, dass er die Zuständigkeit des Gerichts nicht anerkenne und sich gegen die Anklage nicht verteidigen wolle. "Mein Mandant will keine Verteidigung durch sich selbst und auch nicht in seinem Auftrag", sagte Plasman. "Es ist eine genau durchdachte Entscheidung und wahrscheinlich das Letzte, was ich in diesem Prozess sage." Bouyeri verfolgte aufmerksam das Geschehen, strich sich durch den Bart und sagte auf Befragen des Richters: "Ich habe nichts hinzuzufügen."
Familie fordert Höchststrafe
Die Familie von Van Gogh forderte eine lange Haftstrafe für den Angeklagten. Dieser habe sein Opfer im Namen Gottes getötet, beklagte van Goghs Mutter vor dem Gericht. Auf islamische Verheißungen für das Jenseits anspielend fügte sie hinzu, auf den Täter warteten aber nicht Jungfrauen, sondern das Gefängnis. Eine Schwester des Filmemachers verlangte die Höchststrafe für den Angeklagten - dies wäre lebenslange Haft. Lebenslang gestraft sei aber in Wirklichkeit die Familie des Ermordeten, betonte sie. Nach niederländischem Recht können sich in Strafprozessen auch die Opfer äußern.
Drohung an Abgeordnete
Bouyeri wird vorgeworfen, bei der Tat am 2. November 2004 sehr zielstrebig vorgegangen zu sein. Der Staatsanwaltschaft zufolge schoss er auf Van Gogh und stach auf ihn ein, bevor er ihm die Kehle durchschnitt, ohne sich um die flehentlichen Bitten des Künstlers um Gnade zu kümmern. Auf dem leblosen Körper befestigte Bouyeri schließlich mit einem Messer eine Nachricht. Der fünfseitige Brief, in dem aus dem Koran zitiert wurde, richtete sich an die aus Somalia stammende niederländische Politikerin Ayaan Hirsi Ali, die das Drehbuch für Van Goghs umstrittenen Film "Submission" schrieb. Die Parlamentsabgeordnete Ayaan Hirsi Ali wurde deshalb Wochen lang an einem geheimen Ort versteckt. Der Film hatte den Zorn vieler Moslems erregt.
Zahlreiche Beweise
Es handele sich um eine terroristische Tat, weil Van Gogh als prominenter Kritiker des muslimischen Fundamentalismus getötet worden sei. Der wenige Minuten nach der Tat nach einem Schusswechsel mit der Polizei verhaftete Bouyeri werde von Zeugenaussagen, DNA-Beweisen und ballistischen Untersuchungen belastet, sagte der Staatsanwalt.
Nach der Tat waren in den Niederlanden zahlreiche Anschläge auf Moscheen, Kirchen und Religionsschulen verübt worden. Der Fall hatte weltweit Aufsehen erregt und nicht nur in den Niederlanden eine Debatte über Integration von Ausländern ausgelöst. (stu/ch)