Gemischte Gefühle in Paris
5. Oktober 2020Der Jubel war nicht überbordend. Hüpfen oder Tanzen, wie Andrea Petkovic zu ihren besten Zeiten, ist nicht das Ding der Laura Siegemund. Abgeklärt auch ihr Verhalten nach dem Zweisatzsieg im Achtefinale der French Open gegen die Spanierin Paula Badosa Gibert: geballte Faust, fokussierter Blick, Ekstase Fehlanzeige. Dabei hätte die Nr. 66 der Weltrangliste allen Grund zur überschäumenden Freude: Siegemund steht zum ersten Mal in ihrer Karriere in einem Grand-Slam-Viertelfinale im Einzel. Und das nur wenige Wochen nachdem sie - als erste Deutsche seit Claudia Kohde-Kilsch 1985 - mit Partnerin Wera Swonarewa den Doppel-Titel bei den US-Open hatte gewinnen können. Es war einer der größten Erfolge in Siegemunds Karriere. "Hier sind bis jetzt viele Underdogs weit gekommen. Das finde ich auch mal schön. Ich gehöre selber zu den Underdogs, und vielleicht geht es ja auch noch weiter. Aber dafür muss ich ganz bestimmt besser spielen als heute", sagte Siegemund selbstkritisch im Interview des Fernsehsenders "Eurosport".
Fokus aufs Einzel
Schon der Einzug ins Achtelfinale hatte ihr bisher erfolgreichstes Abschneiden im Einzel bei einem Grand-Slam-Turnier perfekt gemacht. Und das im Alter von 32 Jahren. Vielleicht macht gerade das die Abgeklärtheit von Siegemund aus. Sie ist sich des Erfolgs bewusst, weiß aber auch, dass der Körper ihr einen Strich durch die Rechnung machen kann. Verletzungen warfen Siegemund in ihrer Karriere immer wieder zurück. Auch in Paris laboriert sie an Rückenproblemen. Im Doppel musste sie deswegen sogar aufgeben. Nächste Gegnerin ist die zweifache Wimbledon-Gewinnerin Petra Kvitova aus Tschechien. "Mir geht es mittlerweile wieder besser. Klar, fünf Grad mehr wären schön", sagte Siegemund mit Blick auf das herbstliche Wetter in Paris. "Gegen Kvitova habe ich ja schon gespielt und werde mir einen Plan zurechtlegen. Auf dem Center Court wird es anders. Es ist wärmer, das Dach zu und der Platz schneller."
"Es ist ihr bestes Grand-Slam-Turnier", sagte Bundestrainerin Barbara Rittner nach dem Match gegen Badosa bei "Eurosport": "Gegen Kvitova wird sich jetzt zeigen, ob sie damit klarkommt, wenn die Gegnerin druckvoll aufspielen kann." Rittner kennt Siegemund aus jahrelanger Zusammenarbeit bestens. "Du weißt nie, was passiert. Laura ist immer für eine Überraschung gut", sagt die Bundestrainerin über die French-Open-Viertelfinalistin, deren Lieblingsbelag Sand ist.
Zverev sorgt für Irritationen
Weniger gut sind die Schlagzeilen, die Deutschlands Nr. 1 bei den Männern in Paris geschrieben hat: Alexander Zverev musste sich am Sonntag im Achtelfinale in Roland Garros dem 19-jährigen italienischen Shootingstar Jannik Sinner in vier Sätzen geschlagen geben. Zverev agierte zu zurückhaltend. Es gelang ihm eigentlich nie, das Match wirklich zu dominieren. Das lag auch daran, dass der US-Open-Finalist nicht hundertprozentig fit war. Zverev klagte schon während des Spiels über Halsschmerzen und Atembeschwerden und fragte nach einem Atemspray. Wie schlecht sein Zustand war, wurde dann auf der Pressekonferenz nach dem Match deutlich. "Ich bin total krank, gestern Abend hatte ich 38 Grad Fieber", gab Zverev zur Verwunderung der Journalisten zu Protokoll. In Anbetracht der weltweiten Corona-Pandemie und der geltenden Regeln bei den French Open stellt sich die Frage: Hätte Zverev überhaupt spielen dürfen?
Streitpunkt Erkrankung
"Vielleicht hätte ich nicht spielen sollen", sagte der 23-Jährige. Doch damit meinte er wohl eher sportliche Gesichtspunkte. Auf die Nachfrage eines Reporters der Zeitung "New York Times" nach seinem letzten Corona-Test reagierte Zverev empfindlich: "Keine Chance, dass ich Ihre Frage beantworte - nach dem was Sie in den letzten Monaten über mich geschrieben haben. Absolut keine Chance."
Der Reporter hatte Ende Juni auf Twitter ein Video veröffentlicht, das Zverev beim Feiern in Monte Carlo zeigte. Zverev hatte sich im Anschluss an die umstrittene Adria-Tour laut eigener Aussage in Quarantäne begeben wollen.
Eigentlich wäre Zverev verpflichtet gewesen, seine Erkrankung zu melden. Das legen die "Player FAQs" des Turniers in Paris nahe. Die Frage "Soll ich mich vom Turnier zurückziehen, wenn ich mich nicht gut fühle?" wird dort so beantwortet: "Unser medizinisches Personal muss informiert werden." Zverev war zuletzt am Dienstag der ersten Turnierwoche auf das Coronavirus getestet worden. In Paris hat er nicht nur ein Match verloren, sondern auch Sympathien und Vertrauen.
Endstation Achtelfinale für Daniel Altmaier
Das French-Open-Abenteuer von Daniel Altmaier ist zu Ende. Der 22 Jahre als Qualifikant aus Deutschland verlor am späten Montagabend im Achtelfinale gegen den Spanier Pablo Carreno Busta in drei Sätzen mit 2:6, 5:7 und 2:6 gegen den Spanier Pablo Carreno Busta. Damit verpasste Altmaier, der mit seiner couragierten Spielart begeistert hatte, ein Duell mit dem Weltranglistenersten Novak Djokovic. "Es war eine wirkliche Freude", sagte Altmaier dennoch über seine Erfahrungen beim Grand-Slam-Turnier in Paris: "Ich habe das erste Mal auf der Tour reingeschnuppert, konnte die Luft atmen."