Alt-Nazis in Adenauers Kanzleramt
26. November 2016Bei den Nationalsozialisten waren sie als Richter, Staatsanwälte oder Ökonomen tätig. Unter Adenauer schafften sie trotzdem den Sprung in die Ämter und Ministerien. Wie ihr Übergang vonstatten ging, wird jetzt untersucht.
Das Projekt solle die "personelle Kontinuität und Diskontinuität zur Zeit vor 1945" sowie die "Netzwerkbildung zwischen dem Kanzleramt, den Bundesministerien und Landesbehörden" klären, heißt es in dem von der Regierung dazu veröffentlichten Ausschreibungstext. Das heißt nichts anderes, als dass bereits im Dritten Reich bestehende Verbindungen von Personen aus dem NS-Machtapparat als neue Netzwerke in die junge Bundesrepublik übertragen und ausgebaut wurden. Sie sollen nun Untersuchungsgegenstand für die Historiker werden. Es waren weniger die Spitzenfunktionäre, als Angehörige des alles mittragenden Mittelbaus, denen der Übergang von der Diktatur in die Demokratie gelang. Meist waren es Juristen oder Ökonomen, die an die neuen Schaltstellen der Macht in den Ministerien und den Geheimdiensten rückten. Aber auch Medien wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" oder "Der Spiegel" waren geprägt von ehemals NS-konformen Journalisten.
Globke, der Kanzleramtschef
Nach Informationen des "Spiegel" dürfte im Visier der Forscher besonders die Rolle des früheren Kanzleramtschefs Hans Globke stehen. Globke, der unter CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer ab 1953 Kanzleramtschef war, war wegen des Vorwurfs von NS-Verstrickungen bereits während seiner Amtszeit umstritten, es gab gegen ihn auch strafrechtliche Ermittlungen. Globke hatte unter anderem 1936 einen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen mitverfasst und war in der NS-Zeit an Vorschriften zur Registrierung von Juden beteiligt.
Ressortübergreifende Forschung
Grütters will für das Forschungsvorhaben, das sich auch auf weitere Ministerien und Bundesbehörden bezieht, bis 2020 insgesamt vier Millionen Euro zur Verfügung stellen. Antragsberechtigt sind laut Ausschreibungstext Forscher oder Forschergruppen an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie Einzelforscher, deren Vorhaben an solche Einrichtungen angebunden sind.
Nach Angaben der Bundesregierung ist ein Viertel der Gesamtfördersumme "aufgrund der ressortübergreifenden Relevanz" für die Erforschung der Geschichte des Kanzleramts reserviert. Diese solle zudem als eigener Programmteil ausgestaltet werden. Ähnliche Untersuchungen gab es bereits für Ministerien und andere Bundesbehörden, allerdings in der Regel isoliert nur für die betreffende Institution - so zum Beispiel für den Bundesnachrichtendienst, der sich mit der Aufarbeitung seiner Geschichte und der ihres Gründungspräsidenten Reinhard Gehlen, einem ehemaligen General der deutschen Wehrmacht, immer schwer tat. Das soll mit dem neuen Programm nun anders werden. Koordinierung und Implementierung des Forschungsprogramms liegen in der Hand des Bundesarchivs. Auch für vergleichende Forschung - etwa unter Einbeziehung von DDR-Behörden - sei das Programm offen, heißt es im Ausschreibungstext.
cgn/jj (afp, dpa, epd, kna)