Als Braut nach China verkauft
13. Mai 2019Basheer Ahmed wollte nur das Beste für seine Töchter. Der Bewohner der ostpakistanischen Stadt Lahore zählt zur Mittelschicht. Der 60-Jährige mit Behinderung machte sich jedoch große Sorgen, ob er sich die Hochzeit seiner Töchter finanziell leisten könne.
"Das war eine schwierige Aufgabe", erzählt Ahmed, Koranlehrer und vierfacher Vater, der Deutschen Welle. Er begann, verzweifelt nach einem passenden Schwiegersohn für eine seiner Töchter Ausschau zu halten.
Dann kamen Vertreter einer Heiratsvermittlung zu ihm und unterbreiteten ein Angebot. "Sie sagten, sie hätten für meine 24-jährige Tochter Yamna Bibi von einem Chinesen namens Chan Yen Ming einen Antrag. Dieser sei kürzlich zum Islam konvertiert. Chan wolle alle Kosten für die Hochzeit übernehmen und er werde meiner Tochter auch erlauben, in China zu arbeiten."
Am 4. Januar heirateten Bibi und Chan. "Das war eine große Erleichterung für mich. Nach der Hochzeit war meine Tochter noch anderthalb Monate in Islamabad, bis ihre Reisedokumente da waren. Wir hatten die ganze Zeit Kontakt, bis sie nach China geflogen ist."
Die Ehe wird zum Alptraum
Ahmed hoffte, dass seine Tochter in China einen Job finden werde, damit sie Geld an ihre Familie in Pakistan schickt. Denn sie kamen finanziell kaum über die Runden. Stattdessen rief seine Tochter eines Tages an und weinte. "Sie sagte, wir seien betrogen worden. Chan sei kein Unternehmer, wie die Agentur behauptet hatte. Er hatte versucht, sie zur Prostitution zu zwingen. Als sie sich weigerte, schlug er sie", erzählt Ahmed totunglücklich.
"Ich habe die Heiratsvermittler angerufen. Ihr Boss nennt sich David, aber in Wirklichkeit heißt er Wei Lin Ping. Ich habe ihn über die Lage informiert - aber seine Antwort schockierte mich zutiefst", erinnert sich Basheer Ahmed: "Er sagte, dass Chan zwei Millionen Pakistanische Rupien (über 12.000 Euro) für meine Tochter bezahlt habe, und wenn ich sie zurückhaben wolle, müsste ich diese Summe aufbringen."
"Später fand ich heraus, dass es eine Verbrecherbande war, die in Scheinehen, Menschenhandel und Organhandel verwickelt war", so Ahmed. "Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben und mich an Mitarbeiter der pakistanischen Botschaft in China gewandt. Die haben meine Tochter gerettet und für eine sichere Heimreise gesorgt. Am 3. Mai ist sie nach Pakistan zurückgekehrt."
Yamna Bibi sitzt dabei, während ihr Vater ihre Geschichte erzählt. Der Skandal, sagt sie gegenüber der DW, habe ihr Leben zerstört. Auf ihren und ihres Vaters Wunsch sind ihre Namen geändert, um sie zu schützen.
Organisierte Kriminalität
Bibis Fall ist nicht der einzige Fall von Menschenhandel und Scheinehe-Betrug - in den vergangenen Wochen sind etliche bekannt geworden. Bei den meisten verleiten chinesische Männer und ihre (auch pakistanischen) Komplizen junge pakistanische Frauen zur Heirat.
Viele Pakistanis der Unter- und Mittelschicht möchten das Land verlassen, um bessere ökonomische Lebensbedingungen zu finden. China ist zwar nicht ihre erste Wahl, aber attraktiv genug für jene, die von der Hand in den Mund leben.
Seit einigen Jahren kommen immer mehr Chinesen nach Pakistan, da China vermehrt in dem südasiatischen Land investiert. 2015 kündigte Peking ein Projekt über 46 Milliarden US-Dollar in Pakistan an. Der China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) gilt als ambitioniertester Teil der chinesischen Infrastrukturinitiative "Neue Seidenstraße". Bejing will damit seinen Einfluss in Pakistan und anderen südasiatischen Staaten ausbauen und den Einfluss Indiens und der USA schwächen. Viele Pakistanis lernen Chinesisch, um in den chinesischen Unternehmen arbeiten zu können, die in ihrem Land entstehen.
Razzia gegen Netzwerk von Menschenhandel
Die Nachrichten und Bilder von Scheinehen zirkulierten schnell in sozialen Netzwerken. Sie haben die Bevölkerung aufgerüttelt, die Behörden sind alarmiert. Vergangenen Monat berichtete ein pakistanischer Fernsehsender, er habe Zugang zu einer Heiratsagentur in Lahore bekommen, über die arme Familien ihre Töchter gegen Geld und Visa an Chinesen verheirateten.
Am Donnerstag durchsuchte die pakistanische Bundeskriminalpolizei FIA unter anderem ein Gebäude, das mutmaßlich als Gästehaus für Chinesen diente, die nach Pakistan kamen, um Einheimische zu heiraten. Bei mehreren Razzien nahmen die Beamten etliche Chinesen und pakistanische Mittelsmänner fest. Die FIA will die Ermittlungen zum Scheinehen-Skandal nun ausweiten. "Die chinesischen Banden arbeiten sehr gut organisiert", sagte ein FIA-Sprecher der Nachrichtenagentur DPA.
Ganz anders sieht es Peking: Die chinesische Botschaft veröffentlichte in der pakistanischen Tageszeitung "Dawn" ein Statement, dass es "nach Ermittlungen des chinesischen Ministeriums für öffentliche Sicherheit bei pakistanischen Frauen, die nach der Heirat mit Chinesen in China leben, keine erzwungene Prostitution oder Organhandel gibt. China kooperiert mit pakistanischen Sicherheitsbehörden, um gegen illegale Heiratsvermittlung vorzugehen. Wir appellieren an chinesische wie an pakistanische Staatsbürger, wachsam zu sein und sich nicht betrügen zu lassen."
Menschenrechtsverletzungen
Pakistans Behörden sollten angesichts der Berichte über Menschenhandel von Pakistan nach China "alarmiert" sein, so Human Rights Watch. Die Menschenrechtsorganisation warnt, dass das Muster dieser Fälle dem Handel mit "Bräuten" aus mindestens fünf anderen asiatischen Staaten nach China "verstörend ähnlich" sei.
Die Regierung in Islamabad müsse wachsam gegenüber chinesischen Staatsbürgern in Pakistan sein, mahnt Asad But von der nichtstaatlichen Human Rights Commission of Pakistan in Karachi gegenüber der DW. "Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Unsere Regierung zwingt einerseits westliche NOGs zu schließen. Andererseits drückt sie bei Chinesen ein Auge zu, die mutmaßlich in Menschenhandel verstrickt sind."
Chinesischen Staatsbürgern solle die pakistanische Regierung keine Visa bei der Einreise ausstellen. "Für Pakistanis ist es kompliziert, ein Visum für China zu bekommen", so Asad But. "Aber jeder Chinese kann ohne genaue Prüfung nach Pakistan einreisen." Die chinesisch-pakistanischen Beziehungen müssten auf gegenseitigem Respekt aufbauen.