1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vergewaltigung in Südafrika

Almuth Schellpeper24. November 2006

In keinem Land der Welt werden so viele Frauen Opfer sexueller Misshandlungen wie in Südafrika. Die UNO kritisiert dies ganz besonders am "Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen".

https://p.dw.com/p/9QgW
Eine Südafrikanerin trägt einen Sack mit Orangen auf dem Kopf
Seit in Südafrika Demokratie herrscht, gibt es mehr sexuelle GewaltBild: AP

Sexuelle Gewalt gehört in Südafrika zur Tagesordnung. Das Land hat die höchste Vergewaltigungsrate und eine der höchsten Raten von häuslicher Gewalt weltweit. Jede vierte Frau lebt in einer gewalttätigen Beziehung und etwa alle 30 Sekunden wird eine Frau vergewaltigt. Innerhalb der letzten zehn Jahre, seit in dem Land am Kap Demokratie herrscht, sind die Zahlen der gemeldeten Vergewaltigungen gestiegen. Die Missbrauchsraten zeigen, dass gerade in Umbruchgesellschaften Frauen verstärkt sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind.

Obwohl sexuell misshandelte Frauen in Südafrika heute wissen, wo sie Hilfe bekommen, bringt nur etwa jede neunte Frau eine Vergewaltigung zur Anzeige. Die Nicht-Regierungsorganisation Rape Crisis engagiert sich seit 30 Jahren für vergewaltigte Frauen und hat um Kapstadt herum mehrere Beratungsbüros eingerichtet. Hier helfen Beraterinnen, Ärzte und Krankenschwestern den Betroffenen. Etwa 30 Frauen pro Monat nehmen den kostenlosen Service in Anspruch.

Mangelndes Selbstbewusstsein

Drei Südafrikanerinnen sitzen auf einer Bank
Vergewaltigung wird von vielen Südafrikanerinnen als Stigma angesehenBild: picture-alliance

In Südafrika spielen viele Faktoren eine Rolle, wenn es um gewalttätige Übergriffe auf Frauen geht, dazu gehören Armut, Alkohol, kulturelle Werte innerhalb einer Gemeinschaft und die Lasten der Apartheidsgeschichte. Brenda Booi hat selbst lange in einer gewalttätigen Beziehung gelebt. Jetzt arbeitet die 50-Jährige bei Rape Crisis, diskutiert in Schulklassen und im Radio über Gewalt an Mädchen und Frauen. Doch viele von ihnen schämen sich, über sexuelle Übergriffe zu sprechen. Ein großes Problem, so Brenda Booi, sei das mangelnde Selbstbewusstsein der Frauen in Südafrika: "In meiner Kultur bleiben Frauen zu Hause und Männer gehen arbeiten. Seit ich mehr Selbstvertrauen habe und ich andere Frauen berate, wo sie sich Rat holen können, ist alles okay für mich, denn ich kann Missbrauch nicht mehr ertragen."

In Südafrika mangelt es nicht an moderner Gesetzgebung zum Schutz von Frauen, sondern vielmehr an deren Umsetzung. Ein Gesetz in Bezug auf häusliche Gewalt sieht auch Vergewaltigung in der Ehe als Straftat an und 54 spezielle Gerichte befassen sich ausschließlich mit sexuellen Übergriffen. Doch Rechtsgrundlagen und Rechtsrealität stehen in krassem Gegensatz zueinander. Noch wird Gewalt in Südafrika oft als Konfliktlösungsmittel akzeptiert.

Die Last der Apartheid

Gewalt gegen Frauen ist in Südafrika ein gesellschaftliches Problem. Dem Land haftet bis heute die Last der fast 50-jährigen Apartheidsgeschichte an. Weiße Männer wurden damals gezwungen, zwei Jahre in der Armee zu dienen und innerhalb und außerhalb des Landes zu kämpfen. Sie waren Soldaten, die töteten, und anschließend sich selbst überlassen wurden. Tausende junge schwarze Männer verließen damals vorzeitig die Schule, um im Untergrund gegen das Apartheidsregime zu kämpfen.

Südafrikanerinnen in bunten Trachten bei einem traditionellen Fest
Die Wunden der Apartheid sind noch nicht verheiltBild: picture-alliance

Nach Ende der Apartheid im Jahr 1994 wurden den vom Männern in Südafrika weder Jobs noch psychologische Betreuung angeboten, gleichzeitig mussten sie für sich und ihre Familien sorgen. Synnov Skorge ist Leiterin des Saartje Baartman Frauenzentrums in Kapstadt, in dem Frauen beraten werden. Sie sagt, die Apartheid habe die Menschrechte der Südafrikaner grob verletzt: "Sie hat die Mehrheit der Männer und Frauen in diesem Land unglaublich geschwächt. Es existiert viel Wut, Schmerz und Enttäuschung." Bis diese verheilt seien, glaubt Skorge, brauche es noch lange Zeit.