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Nicht nur Obdachlose sind alkoholabhängig

Gudrun Heise12. Mai 2014

Bin ich schon Alkoholiker, wenn ich jeden Tag ein Glas Wein trinke? Bedenklich wird es, wenn Trinken zur Gewohnheit wird. Alkoholmissbrauch durchzieht die gesamte Gesellschaft.

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Mann trinkt Alkohol aus Flasche
Bild: Fotolia/Africa Studio

"Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren" - das mag sein, aber oft wird daraus mehr. Alleine in Deutschland sind zwischen 1,6 und 1,8 Millionen Menschen alkoholabhängig. Weltweit sei der Alkoholkonsum eine der Hauptursachen für die sogenannte "Disability adjusted life years lost", sagt Falk Kiefer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim - das sind die Lebensjahre, die durch Behinderung oder Tod verloren gehen. "Man kann inzwischen aus Untersuchungen gut hochrechnen, wie viele Lebensjahre ein Alkoholabhängiger verliert - nicht nur dadurch, dass er stirbt, sondern auch dadurch, dass er beispielsweise wegen einer Leberzirrhose arbeitsunfähig ist."

Fatale Folgen

Laut WHO-Bericht sind im Jahr 2012 weltweit rund 3,3 Millionen Menschen durch Alkoholmissbrauch gestorben. Das ist ein Anteil von fast sechs Prozent an allen Todesfällen. Darüber hinaus gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch und mehr als 200 verschiedenen Erkrankungen, darunter Herz-Kreislauf- und psychische Problemen.

Bierglas. Foto: Hubert Link, dpa
Alkoholabhängigkeit kommt schleichendBild: picture-alliance/dpa

Neben den gesundheitlichen Auswirkungen kommt es auch zu schwerwiegenden sozialen Folgen und wirtschaftlichen Verlusten, so der Bericht. "In Deutschland geht man von über 20 Milliarden Euro Folgekosten pro Jahr durch Alkoholabhängigkeit aus", sagt Kiefer. Die Deutschen konsumierten im Jahr 2012 durchschnittlich 11,8 Liter reinen Alkohol pro Kopf. Damit sind die Zahlen relativ stabil geblieben. Noch ist Europa der traurige Spitzenreiter. Weltweit wurden etwa 6,2 Liter reiner Alkohol pro Kopf und Jahr getrunken.

Laut Empfehlungen der WHO liegen die empfohlenen Grenzwerte für Frauen bei etwa 20 Gramm reinem Alkohol pro Tag, das sind etwa 0,2 Liter Wein. Bei Männern ist die empfohlene Obergrenze mit 40 Gramm täglich doppelt so hoch. Aber diese Mengen, sagt Kiefer, bezögen sich nur auf die Folgeerkrankungen, nicht auf das Risiko, alkoholabhängig zu werden. "Für Abhängigkeit gibt es keine definierten Trinkmengen."

Wann beginnt Alkoholismus?

Die WHO gibt laut Kiefer eine klare Definition, ab wann jemand alkoholabhängig ist: "Im Zentrum steht, dass man den Konsum nur unter Mühen beenden kann und dass man sein Leben nach und nach umorganisiert, um den Alkoholkonsum mit den täglichen Aktivitäten in Einklang zu bringen." Damit werde es auch schwierig, den Konsum zu kontrollieren und zu beenden - selbst wenn schädliche Konsequenzen drohen.

Eines der Ziele der Globalen Strategie gegen den schädlichen Gebrauch von Alkohol strebt an, den schädlichen Gebrauch von Alkohol bis zum Jahr 2025 im Vergleich zu 2010 um mindestens zehn Prozent zu verringern.

Einsamkeit, Unzufriedenheit, aber auch gesellschaftliche Zwänge sind einige der Gründe, warum Menschen zum Alkoholiker werden. Die Gesellschaft sei gefordert, die Politik, aber auch die Wirtschaft, sagt Kiefer. Er ist überzeugt: "Wenn man möchte, dass in der Gesellschaft weniger Alkohol getrunken wird, hat es keinen Sinn, Werbung für Alkoholkonsum zu betreiben."

Jugendliche trinken Alkohol Foto: Juana Benet, dpa
Auch immer mehr Jugendliche greifen zur FlascheBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Ein Tabuthema

Die Dunkelziffer der Alkoholabhängigen ist weltweit hoch. Denn noch immer ist übermäßiger Alkoholkonsum ein Tabuthema. Die Selbsthilfeorganisation der Anonymen Alkoholiker ist da nur ein Beispiel.

Niemand will sich als alkoholabhängig outen, sagt Falk Kiefer. "Sobald ich das Thema Alkohol offen anspreche, geraten Menschen unter Druck, auch ihren eigenen Konsum infrage zu stellen. Deswegen projiziert man die richtigen Alkoholprobleme auf Menschen, die ganz weit weg sind, auf Menschen, die Alkohol vielleicht nur aus einer Schnapsflasche am Bahnhof trinken." Da könne man dann sagen: 'Damit habe ich nichts zu tun.' Die Ergebnisse des WHO-Berichts aber sind zu einem anderen Ergebnis gekommen.