Luckes AfD 2.0
20. Juli 2015Die Kritik am Euro und an der europäischen Wirtschafts- und Währungspolitik nennt Bernd Lucke als zentrales Thema seiner neuen Partei. Er befürwortet einen Schuldenschnitt für Griechenland. Die bisherige Euro-Rettungspolitik sei völlig gescheitert, so Lucke. Zudem wolle sich seine neue Partei für eine "geordnete Zuwanderungspolitik" einsetzen. Die Zuwanderung nach Deutschland müsse nach kanadischem Vorbild reglementiert und Missbrauch der Asylgesetze "entschieden bekämpft werden." Die AfD sei nach rechts abgedriftet und habe keine wissenschaftliche Expertise mehr, sagt der Parteigründer. Deshalb sei eine Alternative dringend nötig.
Alfa als Alternative zur Alternative für Deutschland
Deutschlands neue eurokritische Partei heißt "Allianz für Fortschritt und Aufbruch", kurz Alfa. Bei dem Gründungstreffen am Sonntag im hessischen Kassel wurde der einstige AfD-Gründer Bernd Lucke gleich zum Parteichef gewählt. Es gebe bereits 5000 Interessenten für eine Mitgliedschaft, sagte er. Fünf der sieben Europa-Abgeordneten der AfD würden Alfa beitreten, kündigte Lucke an. Darunter auch der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel.
Als Basis für die neue Partei dient der 4000 Mitglieder zählende Verein "Weckruf 2015". Lucke und seine Anhänger hatten ihn im Mai 2015 als Plattform gegen rechtspopulistische Tendenzen in der AfD initiiert. Rund 70 "Weckrufler" aus ganz Deutschland wurden vom Vereinsvorstand nach Kassel eingeladen, um über die Zukunft zu beraten. Die Weckruf-Mitglieder haben sich dafür entschieden, in einer neuen Partei ihre Arbeit fortzusetzen.
Wie ein Professor Politik macht
Bernd Lucke ist davon überzeugt, dass der Euro als gemeinsame Währung in der EU ein historischer Fehler war. Dieser Fehler muss seiner Ansicht nach korrigiert werden. Deshalb gründete er im Februar 2013 die eurokritische Partei Alternative für Deutschland (AfD).
Luckes seriöses Auftreten trägt zum schnellen Aufstieg der AfD bei. Bei der Bundestagswahl im September 2013 verpasst seine junge Partei nur knapp den Einzug ins Parlament. Gut ein halbes Jahr später klappt es bei den Europa-Wahlen. Sieben AfD-Abgeordnete, samt Bernd Lucke, ziehen ins Europäische Parlament ein. Der AfD-Gründer wechselt nach Brüssel, bleibt aber einer von drei AfD-Bundesvorsitzenden.
Per E-Mail versucht Lucke, die Partei zu führen. In den eigenen Reihen braut sich aber etwas zusammen. Parteikollegen beschimpfen ihn als Besserwisser, kritisieren seinen autokratischen Führungsstil. Lucke versucht, die AfD auf seine Person zuzuschneiden. Er strebt den alleinigen Parteivorsitz an. Auf dem Parteitag im Januar 2015 in Bremen kritisiert er offen die Zusammenarbeit mit seinen Co-Vorsitzenden.
Lucke im Offensiv-Modus
Nach dem Bremer Parteitag ist die alte AfD nicht mehr zu retten. Die Führung ist heilos zerstritten, die Partei sackt in Umfragen ab. Dazu kommt, dass die deutsch-nationalen Stimmen in der Partei immer lauter werden. Bernd Lucke geht in die Offensive. Mit der Initiative "Weckruf 2015" will er seine Alternative für Deutschland auf einen moderateren Kurs zurückführen. Seine Kontrahenten halten ihm vor, die Partei spalten zu wollen.
Auf dem Parteitag Anfang Juli kommt dann die Niederlage. Lucke wird ausgebuht und schließlich abgewählt. Frauke Petry, die dem nationalkonservativen Flügel der Partei angehört, wird zur neuen AfD-Chefin gewählt. Lucke gibt auf. Vorläufig. Am 10. Juli tritt er schließlich aus der AfD aus. Lucke lasse sich nicht, wie er sagt, als "bürgerliches Aushängeschild" für ausländerfeindliche und systemkritische Politik missbrauchen.
Nach dem Austritt betont er immer wieder in Zeitungsinterviews, dass Deutschland unbedingt eine neue eurokritische Partei brauche. Und auch das nächste Ziel ist bereits klar: Lucke will mit seinem neuen Baby, mit der Alfa-Partei, 2017 in den Bundestag einziehen. Sein ursprüngliches Ziel - den Euro abschaffen und die Eurzone auflösen - ändert sich dabei nicht.
Konservativ, Familienvater, einst CDU-Mitglied
Bernd Lucke war zweieinhalb Jahre das Gesicht der Alternative für Deutschland. Er wurde am 19. August 1962 in Berlin als Sohn eines Bauingenieurs und einer Rektorin geboren. Der Wirtschaftswissenschaftler, dessen Professur an der Universität Hamburg seit seinem Einzug ins Europaparlament ruht, ist verheiratet und hat fünf Kinder. Seine Familie lebt in Winsen an der Luhe in der Nähe von Hamburg. Der evangelisch-reformierten Gemeinde dort ist er eng verbunden. Die Christlichdemokratische Union (CDU) verließ er im Dezember 2011 nach 33 Jahren Mitgliedschaft - aus Protest gegen die Euro-Rettungs-Politik der deutschen Regierung von Angela Merkel.