Alexandroupolis ist und bleibt NATO-Hafen
14. November 2022Nahezu zwei Drittel des Hafens von Alexandroupolis sollten an ausländische Interessenten verkauft werden. Doch nun hat die griechische Regierung die Privatisierung gestoppt, buchstäblich in letzter Minute. Premierminister Kyriakos Mitsotakis hatte die Nachricht in einem Fernsehinterview angekündigt, zwei Tage bevor die Privatisierungsbehörde TAIPED am 10. November 2022 offiziell erklärte, dass der Verkauf vom Tisch sei.
"Die Regierung hat entschieden, dass Alexandroupolis unter den aktuellen Gegebenheiten eine so hohe strategische, geo- und energiepolitische Bedeutung für unser Land hat, dass der Hafen unter der Kontrolle der griechischen Öffentlichkeit bleiben muss", sagte Mitsotakis im Fernsehsender ANT1. Einzelheiten nannte er nicht, und seither kursieren jede Menge Spekulationen, warum die geplante Privatisierung nicht stattgefunden hat.
Strategische Bedeutung des Hafens
Ein wichtiger Grund ist zweifellos der Krieg, der mitten in Europa tobt. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine benutzen die USA den Hafen von Alexandroupolis, um die Ostflanke der NATO zu stärken. Soldaten, gepanzerte Fahrzeuge und Panzer werden in Alexandroupolis entladen, um dann weiter nach Bulgarien, Rumänien und andere osteuropäische NATO-Mitgliedsstaaten transportiert zu werden.
Immer wieder sieht man in dem früher ruhigen Hafen der 60.000-Einwohner-Stadt riesige Kriegsschiffe wie die USS Arlington und Fähren wie die Liberty Passion. Bis in die Ukraine werden amerikanische Waffen und anderes Gerät über Alexandroupolis und dann per Bahn transportiert. Damit kann der Bosporus umgangen werden. Die Meerenge, die von der Türkei kontrolliert wird, ist für Waffentransporte geschlossen, und im Schwarzen Meer sind russische Kriegsschiffe unterwegs. Durch die Stadt an der Mündung des türkisch-griechischen Grenzflusses Evros geht alles schneller und vor allem sicherer.
Keine Abhängigkeit von Russland
Alexandroupolis benötigt dringend einen Investor, der Geld in die dürftige Infrastruktur des Handelshafen pumpt und den Betrieb modernisiert, der griechische Staat und die Amerikaner wollen den Ausbau des Militärhafens vorantreiben.
Um zu verhindern, dass Russland seinen Einfluss im Norden Griechenlands ausbaut, wurden schon im Sommer 2022 zwei von vier am Kauf des Hafens interessierten Konsortien ausgeschlossen: Das um Ivan Savvidis, einem griechisch-russischen Unternehmer, der schon den Hafen von Thessaloniki kontrolliert, und als ehemaliger Abgeordneter der Kreml-Partei "Einiges Russland" enge Beziehungen zu Moskau pflegt; und das um Dimitris Copelouzos, der langjährige Geschäftsverbindungen zum russischen Energieriesen Gazprom unterhält.
Zweifel an der Zahlungsfähigkeit
Hinter den anderen beiden Konsortien, die bis zuletzt im Rennen blieben, standen US-amerikanische Investoren. Die griechische Regierung hatte keine Bedenken wegen einer amerikanischen Beteiligung auch am Handelshafen von Alexandroupolis. Offenbar gab es aber Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines der Interessenten und zudem Spekulation darüber, dass einer der potentiellen Käufer seine Anteile anschließend weiterverkaufen wolle.
Ein Risiko, dass die griechische Regierung nicht eingehen wollt, zumal sie gemeinsam mit Bulgarien sogenannte "sea2sea"-Vorhaben voranbringen möchte. Dabei geht es um den Ausbau der Schienenverbindung zwischen den nordgriechischen Ägäis-Häfen und den bulgarischen Schwarzmeer- und Donauhäfen. Daher stoppte die Privatisierungsbehörde das Verfahren und kündigte eine eigene Initiative zur Entwicklung des Hafens von Alexandroupolis an, gemeinsam mit den Ministerien für Finanzen und Schifffahrt.
Der Hafen von Kavala bleibt in öffentlicher Hand
Ähnlich könnte auch die Entscheidung zum Hafen von Kavala ausfallen. Laut der Tageszeitung "Kathimerini" ist die Regierung überzeugt, dass auch dieser Hafen von entscheidender geopolitischer Bedeutung ist. Die nordgriechische Stadt grenzt an wichtige Energieanlagen und -ressourcen sowie Transportwege.
In der Nähe liegt das einzige Ölfeld Griechenlands (Prinos) und die Unterwasserhöhle vor Kavala, die als strategisches Gasreservedepot genutzt werden kann. Bei Kavala verläuft auch die Transadriatische Erdgas Pipeline (TAP), und es besteht die Aussicht, Standorte zur Unterwasser-Speicherung von Kohlendioxid zu entwickeln. Kavala hat auch einen Flughafen. Die Stadt liegt außerdem an der der Egnatia Odos, der rund 670 Kilometer langen Autobahn, die von Igoumetsia in Westgriechenland bis nach Kipoi an der griechisch-türkischen Grenze führt und so die italienischen Häfen Ancona und Bari mit Istanbul verbindet. Sie liegt auch in der Nähe der vertikalen Achsen zu den angrenzenden Balkan-Ländern.
Der Hafen von Volos wurde ausgeschrieben
Für die Privatisierung des Hafens von Kavala interessierten sich amerikanische Investoren, genauso wie für den Hafen der Industriestadt Volos. Kavala wird wahrscheinlich in staatlicher Hand bleiben, bei Volos ist noch unklar, wie es weitergeht. Vor wenigen Tagen hat TAIPED die Ausschreibung für den Erwerb eines Mehrheitspakets von Aktien des Hafens Volos veröffentlicht. Die Frist läuft Ende Januar 2023 ab.
Griechenland ist verpflichtet, Infrastruktur wie Häfen und Flughäfen zu privatisieren. Das haben die Gläubiger während der Finanzkrise im Jahr 2015 durchgesetzt, damit das Land seine Schulden irgendwann begleichen kann. Seitdem wurde der Hafen von Piräus an eine chinesische Firma verkauft, der Hafen von Thessaloniki ist russisch kontrolliert und die meisten Flughäfen des Landes sind in deutscher Hand.