Aktionäre entscheiden über Verstaatlichung
2. Juni 2009Mit eindringlichen Worten hat der Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE), Axel Wieandt, am Dienstag (02.06.2009) zu Beginn der Hauptversammlung für die Verstaatlichung der Bank geworben. Doch er wurde immer wieder durch Zwischenrufe unterbrochen. Ein aufgebrachter Kleinaktionär sagte: ""enn man mir meine Aktien nimmt, ist das wie in einer Diktatur." Andere Aktionäre sprachen verärgert von "Betrug".
Bund nimmt wichtigste Hürde
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung entscheiden die Aktionäre über die geplante Verstaatlichung des schwer angeschlagenen Immobilienfinanzierers. Aufsichtsratschef Michael Endres bezifferte die Präsenz des Bundes bei der Hauptversammlung auf 74,11 Prozent des Grundkapitals. Damit ist klar, dass der Bund mit seinem Aktienanteil von 47,3 Prozent die von ihm angestrebte Kapitalerhöhung durchdrücken kann, weil dafür lediglich die einfache Mehrheit der anwesenden Stimmen notwendig ist. Mit der Abstimmung über die Kapitalerhöhung wurde erst in den Abendstunden gerechnet, da sich bereits am Morgen 50 Aktionäre für Redebeiträge zu Wort gemeldet hatten.
Geplant ist eine Kapitalerhöhung um bis zu 5,6 Milliarden Euro durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). Vom Kauf der neuen Aktien sollen alle anderen Aktionäre ausgeschlossen sein, so dass der Bund einziger Käufer ist und sich damit Anteile von mindestens 90 Prozent sichern kann. Danach kann er die restlichen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung aus der Bank herausdrängen. Die HRE hat bereits mehr als 100 Milliarden Euro an Garantien und Finanzhilfe erhalten.
Keine Alternative zur Verstaatlichung"
Wieandt erklärte, es gebe für die Bank "keine realistische Alternative zur Beteiligung des Bundes". Die HRE sei von der Finanzkrise voll erwischt worden und alleine schlicht nicht überlebensfähig. "Ohne Unterstützung des Bundes gäbe es keine Basis für eine Fortführung der Gesellschaft und der Gruppe. Wir hätten bereits Insolvenz für die Gesellschaft beantragen müssen."
Endres erklärte zu Beginn der Hauptversammlung, er könne den Groll der Aktionäre gut verstehen. Die Aktionäre sollten "ihrem berechtigten Ärger" aber erst auf der ordentlichen Hauptversammlung im August Luft machen. Die Bank habe nur eine Zukunft, wenn die Rekapitalisierung gelinge. Und dafür gebe es "keinen anderen und keinen besseren Partner als die Bundesrepublik."
Wütende Proteste
Massive Kritik an den Übernahmeplänen des Bundes übte die Schutzgemeinschaft der Kapitalanlager (SdK). Die Aktionärsschützer sprachen von der schwärzesten Stunde des deutschen Kapitalmarktrechts. Es sei nicht nachvollziehbar, wie es bei einer funktionierenden Finanzaufsicht zu dem Desaster bei der Hypo Real Estate habe kommen können, sagte SdK-Sprecher Harald Petersen unter Beifall von Aktionären. "Und jetzt sollen wir denen, die für den ganzen Mist verantwortlich sind, auch noch unsere Aktien geben." Die Bankenaufsicht und "das ganze System" habe hier versagt.
Auch Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisierte, dass die "kriminellen Vorgänge um die Hypo Real Estate nicht vom Staat und seinen Aufsichtsbehörden verhindert wurden". Der alte HRE-Vorstand habe "bewusst gezockt" und die Bank "leichtfertig in den Ruin gefahren". Das Desaster sei "auch das Ergebnis eines eklatanten Versagens unseres Staates, eine funktionsfähige Bankaufsicht auf die Beine zu stellen", sagte Bergdolt. Den Aktionären bleibe nur noch "Resignation und Wut".
US-Großaktionär J.C. Flowers, einer der schärfsten Kritiker der Verstaatlichung, ließ sich auf der Hauptversammlung vertreten. Er drohte bereits vorab mit Klage.
Sanierung soll zwei bis drei Jahre dauern
SoFFin-Chef Hannes Rehm kündigte an, die HRE so rasch wie möglich wieder privatisieren zu wollen. Dies könne bereits in zwei bis drei Jahren der Fall sein, wenn die Bank wieder in der Lage sei, sich komplett über den Kapitalmarkt zu refinanzieren, sagte Rehm der "Süddeutschen Zeitung". Voraussetzung für die Privatisierung seien aber ein funktionierendes Geschäftsmodel sowie Erfolg im Neugeschäft. Auch Endres erklärte einen Zeitraum für die Sanierung von zwei bis drei Jahren für realistisch.
Die HRE will zu einer Spezialbank für Immobilien- und Staatsfinanzierung schrumpfen. Aus der Infrastrukturfinanzierung und aus Schwellenländern will sich der Konzern zurückziehen. (kis/mas/dpa/ap/afp/rtr)