Im freien Fall
22. Januar 2008Der panische Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Nach Aussagen von Händlern drückten die Ängste vor einer Rezession in den USA die Kurse in Asien weiter massiv nach unten. Der indische Leitindex Sensex brach am Dienstag (22.01.2008) um mehr als zwölf Prozent ein und verzeichnete damit den größten Tagesverlust in der Geschichte der Börse in Bombay. Der Handel an der wichtigsten indischen Börse wurde kurz nach Beginn am Dienstagmorgen für eine Stunde ausgesetzt. Der indische Finanzminister P. Chidambaram rief die Anleger zur Ruhe auf.
Verluste in Ostasien
In Tokio schloss der Nikkei-225-Index um 5,65 Prozent schwächer. Auch die Börsenkurse in China stürzten nach weiteren Panikverkäufen erneut schwer ab. Der Shanghai-Index der wichtigsten Börse auf dem chinesischen Festland rutschte bis Handelsschluss um 7,22 Prozent, nachdem er bereits am Vortag fünf Prozent abgesackt war. Der Kurssturz ist der schwerste seit mehr als sieben Monaten. Der Shenzhen Composite Index der kleineren Börse in Chinas Süden verlor 7,66 Prozent. Der Hang-Seng-Index in Hongkong verlor 8,6 Prozent, in Seoul rutschte der Kospi-Index nach Panikverkäufen um 4,4 Prozent ab.
Auch in Neuseeland und Australien setzten die Börsen ihre Talfahrt fort. In Australien sackte der All Ordinaries Index um 5,7 Prozent ab. Das war der zwölfte Rückgang in Folge - die längste Verluststrecke seit 25 Jahren. Auch der neuseeländische NZX50-Index büßte im Vormittagsgeschäft fast vier Prozent ein, den Großteil in den ersten zehn Minuten des Handels. Der Jakarta-Index brach um rund 10 Prozent ein.
Düstere Stimmung in Deutschland
Die deutschen Aktienindizes sackten am Dienstag nach dem massiven Kursrutsch vom Vortag weiter deutlich ab. Der deutsche Leitindex DAX weitete in der ersten Handelsstunde den Verlust vom Montag von gut 7 Prozent um weitere 2,74 Prozent auf 6604 Zähler aus. Für den MDAX ging es um 1,89 Prozent auf 7790 Zähler nach unten. Der TecDAX rutschte um 4,15 Prozent auf 695 Punkte ab. Finanztitel standen weiter unter Druck. So rutschten Allianz-Aktien um weitere 4,90 Prozent auf 114,00 Euro ab. Mit 108,90 Euro fielen die Papiere des Versicherungskonzerns zeitweise auf das Niveau von September 2005 zurück. Die Münchener Rück hat nach Angaben von Finanzvorstand Jörg Schneider seinen Aktienbestand schon auf kaum mehr als zehn Prozent heruntergefahren. Vor einigen Jahren seien es noch über 30 Prozent gewesen.
Finanzminister wiegeln ab
Der Dow-Jones-Index wurde in Frankfurt um 8,7 Prozent im Minus indiziert worden. Der indikative Index verfolgt, wie die Dow-Jones-Titel in Frankfurt gehandelt werden. Die Dow-Jones-Futures lagen 5,4 Prozent im Minus, die des S&P 500 5,3 Prozent und die der Nasdaq 5,7 Prozent tiefer.
Die EU-Finanzminister stemmten sich gegen die Panik vor einer Rezession in den USA. Der Chef der Euro-Finanzminister Jean-Claude Juncker sagte am Dienstag vor Beginn eines Treffens mit seinen Amtskollegen in Brüssel, die Finanzmärkte reagierten derzeit irrational und folgten einem Herdentrieb. Doch sei nicht mit einem globalem Börsencrash zu rechnen. "Ich sehe dieses Risiko nicht." Europa und die Euro-Zone seien in einer deutlich besseren Verfassung als die US-Wirtschaft. Das betonte auch der slowenische EU-Ratsvorsitzende Andrej Bajuk. Allerdings räumte er ein: "Wir sind wirklich besorgt über die Situation."
Beruhigende Worte von der EZB
Auch EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark versuchte in einem Interview ein wenig Ruhe in den Markt zu bringen. Die Ertragslage der Unternehmen sei günstig, die privaten Haushalte stünden gut da. Zudem werde die Beschäftigung weiter zunehmen, was zu mehr privatem Verbrauch führe. "Die Situation heute ist eine andere als zu Beginn des Jahrzehnts, als wir eine deutliche Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums erlebt haben
Gleichwohl rechnet Stark damit, dass die Korrektur an den Aktienmärkten noch eine Weile anhalten könnte. Ein Großteil der Hypotheken in den USA werde in diesem Jahr fällig und neu zu finanzieren sein. "Dieser Prozess wird noch eine Weile dauern", sagte Stark am Dienstag im Deutschlandfunk. Negative Auswirkungen auf die Konjunktur in Deutschland und der Euro-Zone befürchte er jedoch nicht.
Beratungen über Konjunkturpaket
Bundesbank-Chef Axel Weber rief die Bankenbranche zu mehr Offenheit im Umgang mit der Finanzkrise auf. Dem Anlegermagazin "Focus-Money" sagte Weber, das erste und zweite Quartal dürften aus seiner Sicht eine deutliche Entspannung der Märkte bringen. Voraussetzung sei aber, dass die "Banken die bisherige Salamitaktik bei der Offenbarung ihrer finanziellen Belastungen beenden und eine weitreichende Transparenz herstellen".
US-Präsident George W. Bush strebt unterdessen eine möglichst schnelle Einigung mit der Führung des von den Demokraten beherrschten Kongresses über das von ihm vorgeschlagene Finanzpaket zur Stimulierung der US-Wirtschaft an. Mit 150 Milliarden Dollar (knapp 100 Milliarden Euro) an Steuererleichterungen und Regierungsinvestitionen will Bush eine drohende Rezession abwenden. Der Präsident wollte dazu am Dienstag mit der Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, und Politikern beider Parteien sprechen. (stu)