Afrika-Initiativen: Große Worte, nichts dahinter?
6. Juni 2017Im Jahr 2005 lud der damalige britische Premierminister Tony Blair Vertreter der G8-Industriestaaten zum sogenannten Entwicklungsgipfel ins schottische Gleneagles. Es sollten ein möglichst umfangreichen Schuldenerlass sowie zusätzliche Hilfsleistungen für Afrika vereinbart werden. Das bei dem Treffen geschnürte Paket sah eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe bis zum Jahr 2010 vor - und zwar um zusätzliche 25 Milliarden US-Dollar jedes Jahr. Die G8-Staaten betonten, sie wollten einen faireren Welthandel gewährleisten. Marktzugangsbeschränkungen für afrikanische Exportprodukte und Exportsubventionen für westliche Ausfuhren nach Afrika, zum Beispiel im Agrarbereich, sollten zurückgefahren werden.
Im Vorfeld der Konferenz hatte Blair die sogenannte "Afrika-Kommission" gegründet, der unter anderem Staatschefs, Künstler und Aktivisten angehörten. Die 17 Kommissionsmitglieder erarbeiteten einen Bericht, der als Diskussionsgrundlage für den Entwicklungsgipfel diente.
Hehre Ziele, kaum Taten
"Es ist schwer zu sagen, was die Kommission bewirkt hat", sagt Helmut Asche, Wirtschaftsprofessor am Institut für Ethnologie und Afrika-Studien in Mainz. Es gebe einen Zusammenhang zwischen der Initiative und steigenden Entwicklungsausgaben. Inwieweit das die Situation vor Ort tatsächlich verbessert habe, ließe sich jedoch nur schwer nachweisen. "Da bin ich wesentlich skeptischer", so Asche.
Zumal die G8-Staaten weit mehr versprachen, als sie schlussendlich zur Verfügung stellten: 2010 stellte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest: Afrika hatte nur elf Milliarden US-Dollar mehr erhalten. Einige Geberländer hatten ihre Zusagen nicht eingehalten. Darunter Deutschland.
"Europäisches Politikversagen"
Es "gehöre zu den Rätsel des internationalen Politikprozesses", dass sich Politiker immer wieder zusammensetzten und immer wieder aufs Neue Gelder im zwei- und dreistelligen Milliardenbereich versprächen - und am Ende nur einen Bruchteil lieferten, so Asche. Er nimmt an, dass sich die führenden Industrienationen versprechen, dass ihre Zusagen einen mobilisierenden Effekt haben: "Sonst wäre der Vorgang lächerlich." Asche führt es auf "europäisches Politikversagen" zurück, dass es auch im Bereich der Handelspolitik bislang wenig Fortschritt gibt.
Zudem hat die internationale Finanzkrise tiefe Einschnitte bedeutet und hochfliegende Ambitionen zurückgeschnitten. "Im Zuge der globalen Politikveränderungen und auch durch die Migrationskrise sind die Politiker mit eigenen Problemen beschäftigt. Dadurch verringert sich die Umsetzung der für Afrika gesteckten Ziele", sagt Steven Gruzd, Leiter der Außenpolitik-Abteilung beim südafrikanischen Institut für Internationale Angelegenheiten (SAIIA).
Selbstkontrolle durch NEPAD?
Was bleibt, ist der Appell für mehr Eigeninitiative. Bereits 2001 rief der damalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki zusammen mit den Staatschef von Nigeria, Algerien, Ägypten und Senegal den Reformplan "New Partnership for African Development" (NEPAD) ins Leben. Heute ist NEPAD vollständig in die Afrikanische Union integriert, dadurch sind alle der AU angehörigen Staaten Teil des Projekts.
Gute Regierungsführung ist ein Grundstein in diesem Wirtschaftsstrategieplan. Ein Überwachungsmechanismus soll afrikanische Regierungen gegenseitig zur Einhaltung der Ziele bringen. Doch die Staaten, die besonders viel Nachholbedarf im Bereich der guten Regierungsführung haben, haben sich dem Prozess der Selbstüberwachung längst entzogen.
Die finanzielle Abhängigkeit bleibt
Doch NEPAD konnte auch Erfolge verbuchen, besonders im Bereich der Infrastruktur: Eisenbahnlinien und Straßen sind über Grenzen hinweg gebaut und Internetverbindungen eingerichtet worden. "Ein Faktor dafür war sicher die Zusammenarbeit mit China", sagt Gruzd. Das Land habe vor 17 Jahren mit kleinen Investitionen auf dem Kontinent begonnen. "Inzwischen ist China der wichtigste Handelspartner Afrikas."
Der selbstbewusste Versuch, sich den Globalisierungsprozessen zu öffnen, ist also nur teilweise gelungen. Zumal NEPAD noch lange nicht auf eigenen Beinen steht: Hinter dem Projekt steht eine westliche Geberkoalition, die NEPAD bis heute finanziert.
Partner auf Augenhöhe?
Trotz aller Kritik: Multilaterale Afrika-Initiativen hätten durchaus ihre Berechtigung, so Gruzd: "Afrikanische Länder nehmen teil an der Definition ihrer eigenen Prioritäten und verhandeln mit Partnern in einer respektvollen und gleichwertigen Weise - das ist nicht immer einfach zu erreichen."