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PolitikAfrika

Afrika im Griff des "Schulden-Tsunamis"

Daniel Pelz
12. November 2020

Fallende Rohstoffpreise, Rezession und jetzt noch Corona: Afrika steckt in einer ernsten Krise. Mit Sambia steht sogar das erste Land kurz vor dem Bankrott. Kann das Treffen der G20-Finanzminister daran etwas ändern?

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Symbolbild | Dollar Scheine
Bild: picture-alliance/dpa/AFP Creative

Ihren Job wird kaum jemand haben wollen: Vera Daves, Finanzministerin Angolas. Bis Jahresende dürfte der gigantische Schuldenberg des Landes auf über 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anwachsen. Schon in normalen Zeiten wäre das eine riesige Herausforderung, nun kommt die Corona-Pandemie noch dazu. "Unsere erste Priorität ist zu überleben, so viele Leben wie möglich zu retten und das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Dann wollen wir ein tragfähiges Schuldenniveau erreichen", sagte Daves im Oktober. 

Ein erster Schritt dahin ist gemacht: Ausländische Geber haben Angola für die nächsten Jahre einen Schuldenerlass von rund 5,3 Milliarden Euro zugesagt. Damit ist Afrikas fünftgrößte Volkswirtschaft aber ebenso wenig über dem Berg wie viele andere Länder auf dem Kontinent. Laut dem Internationalen Währungsfonds brauchen Afrikas Staaten knapp 410 Milliarden Euro, um alle bis 2023 fälligen Auslandsschulden zu begleichen.

Ölproduktion in Angola
Auch das ölreiche Angola steckt in der KriseBild: MARTIN BUREAU/AFP/Getty Images

Kein Geld für Schulen und Krankenhäuser

Was sonst passiert, möchte sich niemand ausmalen. "Staaten würden aufhören, elementare Funktionen zu erfüllen: Sicherheit, Bildung, Gesundheitsversorgung. Was letztendlich bedeutet, dass viele Menschen in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sehen", warnt Jürgen Kaiser vom entwicklungspolitischen Netzwerk erlassjahr.de im DW-Interview. 

Doch auch jetzt ächzen einige Staaten unter der Schuldenlast und den fälligen Rückzahlungen. Vor allem die Armen trifft es hart. Die Wirtschaft ist durch die Corona-Pandemie vielerorts zusammengebrochen. Gerade die Ärmsten haben keine Rücklagen und staatliche Sozialleistungen existieren vielerorts nicht. "Wenn wir unsere Schulden bezahlen müssten, würde die Lage wirklich schwierig werden", sagt Adriano Nuvunga vom zivilgesellschaftlichen Netzwerk FMO aus Mosambik zur DW. "Denn wir brauchen Mittel, um die Ärmsten der Armen zu unterstützen. Seit Corona begann, haben sie gar keine Unterstützung mehr bekommen." 

Infografik Schulden Afrika DE

Während Mosambik durch milliardenschwere Korruptionsskandale in die Schuldenkrise rutschte, wuchsen die Verbindlichkeiten weiterer Länder aus einem anderen Grund: Mit vergleichsweise billigem Geld, an den Kapitalmärkten oder von China geliehen, finanzierten sie gigantische Infrastrukturprojekte: Straßen, Brücken, Bahnlinien. 

Alles anders durch Corona

Die Kredite wollten sie durch den Verkauf von Bodenschätzen zurückzahlen. Doch dann kam Corona. "Wir haben einen wichtigen Faktor, der Länder wie Angola, Gabun oder die Republik Kongo betrifft - das ist der Verfall des Ölpreises", sagt Experte Kaiser. 

Bauarbeiten an der Katembe-Brücke in Mosambik (Archiv)
Afrikanische Länder investierten gigantische Summen in die InfrastrukturBild: picture-alliance/dpa/J. Muianga

Beispiel Gabun: Im aktuellen Haushalt hatte Finanzminister Jean-Marie Ogandaga mit einem Wirtschaftswachstum von fünf Prozent und einem Ölpreis von 57 US-Dollar pro Barrel kalkuliert. Nun rechnet er damit, dass die Wirtschaft 2020 um maximal 0,5 Prozent wachsen wird - bei einem Ölpreis von 26 Dollar. "Wenn man plötzlich nur noch das halbe Gehalt bekommt, kann man seine Schulden nicht einfach weiter bezahlen, als ob nichts wäre", so sein lakonischer Kommentar im Mai. 

Daher sollen andere einspringen: Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank haben bereits einigen Staaten Hilfe versprochen. Die Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) erlaubt 73 besonders hoch verschuldeten Ländern, die Rückzahlungen bis Ende Juni 2021 auszusetzen. Doch die Initiative gilt nur als erster Schritt. "Das Moratorium hilft sehr, aber es verschiebt die Zahlungen nur. Einige Länder brauchen aber substanzielle Schuldenerlasse", sagte Weltbank-Chef David Malpass der DW im Oktober. 

Jürgen Kaiser
Jürgen Kaiser fordert, dass auch private Geber einbezogen werdenBild: Gökcen Bürlükkara

Private Geber sind ein anderes Problem: Einige afrikanische Länder haben sich in den letzten Jahren große Summen an den globalen Finanzmärkten geliehen. Nun müssen sie die Kredite mühsam abstottern. Nächstes Jahr werden geschätzte 18 Milliarden Euro Rückzahlungen an private Gläubiger fällig. Im Gegensatz zu öffentlichen Gebern gibt es aber noch keine Signale, dass die privaten ebenfalls zu Schuldenschnitten bereit sind. "Ich als Steuerzahler möchte keine Verzichte in Kauf nehmen, damit Blackrock und die Deutsche Bank weiter kassieren können", sagt Jürgen Kaiser von erlassjahr.de.

Kommt die Wende?

Die Hoffnungen ruhen nun auf den G20: Die Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen bei ihrem Treffen am 13. November über Schuldenerlasse für besonders gebeutelte Länder diskutieren. Ein entsprechendes Verfahren hatten sie schon im Oktober entwickelt. Noch sind nur wenige Details bekannt. Ein wichtige Forderung von Experten und Zivilgesellschaft soll laut Medienberichten aber erfüllt werden: Entschuldungsinitiativen sollen künftig alle Geber einschließen – westliche Staaten, China, aber auch private Gläubiger. Ein möglicher Kandidat für dieses Verfahren: Sambia, das seine Gläubiger bereits im Oktober um einen Zahlungsaufschub bitten musste. Die Gnadenfrist läuft am heutigen Freitag aus - sollte sich keine Lösung finden, ist das Land offiziell pleite. 

Infografik Top 5 der Gläubiger Sambias DE

Mitarbeit: Leonel Matias (Maputo)