Afrika drängt ins All
28. März 2019"Icyerekezo" steht hoch am Himmel. Rund um die Uhr sendet der Satellit ein starkes Signal. Es sorgt es dafür, dass die St. Peters-Schule ans Internet angeschlossen ist. Sie liegt auf einer kleinen Insel im Kivu-See, die zu Ruanda gehört. "Egal, welche Lernstufe - wir werden alle im Unterricht gut abschneiden", freut sich Joselyne Abahirwa, die mit ihren Mitschülern nun endlich Internet-Suchmaschinen nutzen kann. "Vorher war es unmöglich, Fragen zu beantworten - wir konnten gar nicht ins Netz. Jetzt werden wir schneller recherchieren", sagt sie zuversichtlich im DW-Interview.
Mit einer "Vision" ins All
Der Satellit "Icyerekezo" (Vision) ist erst kürzlich von Französisch-Guayana in Südamerika aus in die Umlaufbahn geschickt worden. Der dortige Weltraumbahnhof Kourou ist sehr gefragt - der Äquator ist nur 500 Kilometer entfernt. Die Erdrotation verleiht Raketen dadurch ein höheres Starttempo als anderswo. Hinter dem Satellitenprojekt stehen die ruandischen Regierung und die britische Firma One-Web. Es begeistert nicht nur Schüler und Studenten in abgelegenen Gegenden, die bisher nur über Glasfaserkabel-Anschlüsse online gehen konnten. Oder eben gar nicht.
"Icyerekezo" ist ein Pionier. Fünf weitere Satelliten sollen ihm in der ersten Projektrunde folgen. "Wir wollen unsere Möglichkeiten und Kapazitäten ständig erhöhen", erklärt Patrick Nyirishema im DW-Interview. Er ist der Leiter der ruandischen Regulierungsbehörde, die auch für Telekommunikation zuständig ist. "Warum sollen wir immer die Dienste anderer in Anspruch nehmen, wenn wir es selbst können? Auch wenn wir den Kunden noch nicht jeden technischen Service liefern können, werden wir ihn aber in Zukunft anbieten." Rund 40 Prozent der weiterführenden Schulen und 14 Prozent der Grundschulen sind nach Angaben des Ministeriums für Informations- und Computertechnologie schon ans Internet angeschlossen.
Club der Satelliten-Besitzer wächst
Nicht nur Ruanda will ins All: Afrikas Weltraumambitionen haben in den vergangenen Jahren immer mehr Fahrt aufgenommen. Äthiopien bekommt 2019 den ersten eigenen Satelliten. China gibt sechs Millionen US-Dollar, technisches Know-How und wird den Erdbeobachtungssatelliten starten. Äthiopien wäre dann das fünfte Land in Subsahara-Afrika, das einen eigenen Satelliten im Weltraum hat.
Bereits 1999 erreichte der experimentelle Kleinsatellit „Sunset" aus Südafrika auf der Spitze einer US-amerikanischen Delta-II-Rakete den Orbit. Seither haben zahlreiche afrikanische Länder Raumfahrt-Agenturen gegründet, einige weitere sind zum angesehenen Club der Satellitenbesitzer gestoßen: Kenia, Ghana, Angola, Algerien, Ägypten und Nigeria. Mehr als zwei Dutzend afrikanische Satelliten fliegen bereits im All, fast die Hälfte davon seit 2017. "Afrika hat die Wichtigkeit erkannt, im All präsent zu sein," sagt Islam Abou El-Magd, ägyptischer Experte für Raumfahrtpolitik. Die Technologie sei der Hauptantrieb für afrikanische Länder, ins All zu drängen.
"Die Gründe, die dahinterstecken, sind einfach: Heute sind Bereiche wie Kommunikation, mobile Telefone, Navigation und die Wettervorhersage direkt mit der Weltraumtechnologie verbunden", sagt El-Magd. Außerdem seien die Kosten für Satelliten gesunken, die Ingenieure bauten immer kleinere Modelle für das All. Diese Fortschritte bringen laut Abou El-Magd auch mehr Anreiz für die afrikanischen Länder, sich beim Wettlauf ins All zu behaupten.
Gemeinsame Raumfahrtstrategie
Die Afrikanische Union (AU) hat deshalb Ende 2017 eine Raumfahrtstrategie verabschiedet. Ziel ist eine panafrikanische Raumfahrt-Agentur, um eine den speziellen Interessen Afrikas dienende Raumfahrt zu fördern. Wichtige Ressourcen wie Bodenstationen und Testplattformen für Satelliten sollen gemeinsam genutzt werden. Im Februar bekam Ägypten von der AU den Zuschlag für das Hauptquartier der Agentur - es wird in Kairo angesiedelt. "Sie wird dann die Arbeit mit den Ländern beginnen, deren Raumfahrtprogramme am weitesten entwickelt sind, also Südafrika und Nigeria", sagt Islam Abou El-Magd. "Das ultimative Ziel ist: Wie können wir diese Technologie nutzen, um unsere Herausforderungen zu lösen, um Beispiel in der Infrastruktur, Landwirtschaft, Umwelt und Desaster-Management."
Es gibt aber auch kritische Stimmen, die afrikanische Investitionen in die Raumfahrttechnologie angesichts der massiver Herausforderungenauf dem Kontinent zum jetzigen Zeitpunkt für unangebracht halten. Schließlich fehlt es in vielen Ländern an Schulen, Krankenhäusern oder Straßen. "Auf der anderen Seite kann man sagen, dass diese Technologie Afrika ein Vermögen bringt und den Kontinent in die Lage versetzt, seine Probleme zu lösen", sagt Islam Abou El-Magd.
Joseph Ibeh, Redakteur des Medienhauses "Space in Africa" in Lagos: "Kritiker sehen nicht das Potential, dass uns diese Programme bringen". Zum Beispiel bei der Sicherheit: "Nigeria hat Vorteile im Kampf gegen die Terrorgruppe Boko Haram, weil Satelliten die Region genau aufzeichnen", sagt er im DW-Interview. Südafrika habe einen Satelliten entwickelt, der das Wetter beobachtet, und Bilder auf Waldbrände hin auswertet.
Das Land ist als einziges in der Lage, eigene Satelliten zu bauen. Das komme laut Ibeh den Universitäten zugute: Studenten übernehmen den Bau kleinerer preisgünstiger Satelliten. Die sammeln in erdnahen Umlaufbahnen dann durchaus nutzbare Daten. "Russland hat gemeinsam mit Südafrika einen Satelliten für das Militär entwickelt, auch Angola arbeitet bei ihrem Kommunikations-Satelliten mit russischen Privatinvestoren zusammen." Nigeria hingegen hat noch größere Pläne: Bis 2030 will es einen Astronauten ins All schicken.
Mitarbeit: Nasra Bishumba