NATO: Abzug aus Afghanistan bis 2014
20. November 2010Der afghanische Präsident Hamid Karsai selbst hatte im Vorfeld seines Besuchs beim NATO-Gipfel in Portugal den Zeitplan für den Rückzug angeregt. Karsai, der von den USA und der Schutztruppe ISAF mehr Zurückhaltung bei der Bekämpfung von Taliban und Aufständischen verlangt, erntete für seine Aussagen in Lissabon auch Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von "ernsten" Gesprächen mit Karsai. Der Präsident habe verstanden, welche Wirkung seine Äußerungen nach außen hätten, so Merkel. Präsident Karsai glaubt, dass sein Anliegen von den anderen Staats- und Regierungschefs verstanden worden sei.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte klar, dass die NATO am Samstag (20.11.2010) nicht den vollständigen Abzug aus Afghanistan beschlossen habe: "Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung ist nicht zu verwechseln mit einem kompletten Truppenabzug, sondern es geht darum, dass wir unsere Verantwortung natürlich weiter wahrnehmen." Man werde Afghanistan aber nicht sich selbst überlassen und so riskieren, dass Terroristen wieder die Oberhand gewinnen, sagte Westerwelle. Allerdings habe man kein Interesse, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in Afghanistan zu bleiben.
"Mutiger Schritt"
"Ab 2014 will Afghanistan für seine Sicherheit selbst Verantwortung tragen. Ich finde, dass war ein mutiger Schritt von Präsident Karsai," sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen. "Wir werden alles tun, damit das machbar ist. Wir werden aber über 2014 hinaus in Afghanistan engagiert bleiben."
US-Präsident Barack Obama hatte bereits in seinem Wahlkampf angekündigt, er wolle von Mitte nächsten Jahres an die Truppen in Afghanistan reduzieren. Er will dieses Versprechen nun rechtzeitig vor den nächsten Präsidentschaftswahlen 2012 umsetzen. Der NATO-Oberbefehlshaber in Afghanistan, US-General David Petraeus, soll die Strategie umsetzen.
Mit massiven Angriffen im Süden soll derzeit der Widerstand der Aufständischen gebrochen werden. Die NATO und die 20 Truppensteller-Nationen versprachen in Lissabon, dass Afghanistan nicht sich selbst überlassen werde. Kooperationswillige Taliban sollten wieder in die afghanische Gesellschaft integriert werden, so Bundesaußenminister Westerwelle, wenn sie der Gewalt abschwören, nicht mit Terroristen gemeinsame Sachen machen und die afghanische Verfassung anerkennen würden. Zur Zeit haben die ISAF und die USA rund 130.000 Soldaten in Afghanistan stationiert.
Eine der Hauptaufgaben sei es, so NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, genügend afghanische Soldaten und Polizisten auszubilden. Nach Angaben der NATO liegt die Staatengemeinschaft bei dieser Aufgabe gut im Plan. Bis vor kurzem hatten sich die NATO-Offiziellen aber immer geweigert, ein Enddatum für den Abzug aus Afghanistan zu nennen. Das könne Aufständische und Terroristen ermutigen. In dem seit neun Jahren andauernden Krieg in Afghanistan sind rund 2200 ISAF-Soldaten gefallen.
Afghanistan-Konferenz in Bonn 2011
Die Bundesregierung hat auf Wunsch des afghanischen Präsidenten zu einer weiteren Afghanistan-Konferenz für den November 2011 nach Bonn eingeladen. Vor neun Jahren fand dort auf dem Petersberg die ersten Afghanistan-Konferenz statt. Karsai sagte, sein Volk werde hart arbeiten, um den Übergang zu schaffen.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kündigte an, das Militärbündnis werde beim Aufbau Afghanistans noch enger mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten. UN-Generalsekretär Ban Ki Monn war auch unter den Teilnehmern des Lissabonner Gipfels.
Keine konkreten Zahlen
Rasmussen fügte hinzu, die NATO werde so lange in Afghanistan engagiert bleiben, wie es nötig sei. Er sei zuversichtlich, dass Afghanistan 2014 in der Lage sein werde, sich selbst zu sichern. Im Moment seien 160.000 Soldaten und Polizisten aus Afghanistan ausgebildet worden. Deren Zahl soll auf 300.000 anwachsen.
Konkrete Zahlen, wann wie viele ISAF-Soldaten abgezogen werden, nannte Rasmussen nicht. Bundeskanzlerin Merkel sprach von einem Strategiewechsel, der darin bestehe, dass man sich jetzt auf die Ausbildung der afghanischen Truppen konzentriere, statt selbst zu kämpfen. Die Bundeswehr hat zurzeit fast 5000 Soldaten am Hindukusch im Einsatz. Ihre Zahl solle von 2012 an reduziert werden, kündigte Bundesaußenminister Westerwelle an.
Die Niederlande und andere NATO-Staaten haben ihren Einsatz in Afghanistan bereits beendet. Großbritannien will das Land bis zum Jahr 2015 verlassen.
Autor: Bernd Riegert, zzt. Lissabon
Redaktion: Thomas Grimmer