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Politik

"Friedlicher als erwartet"

14. Dezember 2016

Sie ist umstritten: die erste Sammelabschiebung von Asylbewerbern nach Afghanistan. Melisa Ergül-Puopolo hat beobachtet, wie 34 Afghanen am Abend zu einer Chartermaschine am Frankfurter Flughafen gebracht wurden.

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Demo gegen geplante Abschiebung am Frankfurter Flughafen
Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

DW: Frau Ergül-Puopolo, Sie haben heute als so genannte "Abschiebebeobachterin" am Frankfurter Flughafen verfolgt, wie Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben wurden. Welchen Eindruck haben diese Menschen auf sie gemacht - wirkten sie resigniert, haben sie Widerstand geleistet?

Merlis Ergül-Puopolo: Nein, es gab überhaupt keinen Widerstand. Die Maßnahme ist wider Erwarten ganz ruhig abgelaufen. Es gab ein paar Eilstopps über Gerichte, die wurden dann aus der Maßnahme rausgenommen, aber ansonsten ganz friedlich. Meiner Zählung nach wurden 34 Menschen abgeschoben.

Während die Abschiebung schon lief, wurden Einzelne wieder rausgeholt?

Genau, da gab es noch einmal Faxe von Verwaltungsgerichten oder vom Bundesverfassungsgericht und die entsprechenden Maßnahmen sind dann gestoppt worden.

Was ist mit diesen Leuten passiert?

Die werden wieder zurückgeführt in die Bundesländer, die sie auch gebracht hatten, nach Bayern, Hessen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg.

Konnten Sie mit jemandem aus der Gruppe der Abgeschobenen sprechen?

Ja, ich habe mit ganz Vielen gesprochen. Die Leute waren relativ gefasst, haben gar keinen Widerstand gezeigt, waren ganz ruhig. Ich habe mich vergewissert, dass es ihnen gut geht und dass sie auch gut hergebracht worden sind zum Frankfurter Flughafen. Die Zubringkräfte waren auch freundlich, das haben alle bestätigt. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe nicht erwartet, dass das so friedlich abläuft.

Wie verläuft so eine Abschiebung normalerweise? Müssen die von der Polizei "Schüblinge" Genannten gefesselt werden?

Das ist der Sonderfall. Wenn massiver Widerstand gezeigt wird, werden sie gefesselt. Ansonsten gibt es dazu keinen Grund, das darf die Bundespolizei hier auch nicht einfach so.

Demo gegen geplante Abschiebung am Frankfurter Flughafen
Umstritten: wie sicher ist Afghanistan?Bild: picture-alliance/dpa/S. Prautsch

Haben Sie etwas von Protesten gegen die Abschiebung am Flughafen mitbekommen?

Nein, das befindet sich in einem anderen Bereich.

Und umgekehrt: haben die Reisenden am Frankfurter Flughafen die Gruppe der Afghanen sehen können?

Nein, das ist ein ganz abgetrennter Bereich und die Maschine steht direkt am Ausgang bei der Bundespolizei und dort wird dann auch eingestiegen.

Sie sind oft eine der Wenigen, die von Abschiebungen weiß, weil das Innenministerium nicht im Vorfeld informiert. Journalisten dürfen in Frankfurt auch nicht dabei sein. Spüren sie eine Last auf Ihren Schultern?

Nein, ich berichte einfach das, was ich gesehen und beobachtet habe.

Demo gegen geplante Abschiebung am Frankfurter Flughafen
Demonstration gegen die Abschiebung am Frankfurter FlughafenBild: picture-alliance/dpa/S. Prautsch

Ist es nicht schwierig, dabei so distanziert zu bleiben?

Ich würde sagen, ich habe das geschafft. Aber selbstverständlich berührt mich das Schicksal der Menschen, die abgeschoben werden. Aber meine Aufgabe als Abschiebebeobachterin ist es ja in erster Linie festzustellen, ob eine Maßnahme friedlich abläuft, ob es Verfehlungen der Bundespolizei gibt in irgendeiner Form. Und das kann ich auf jeden Fall nicht bestätigen.

Und wie stehen Sie selbst dazu, dass Flüchtlinge aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben werden? Es ist umstritten, ob Afghanistan wirklich als sicheres Land eingestuft werden kann.

Da schließe ich mich der Meinung meiner Landeskirche an.

Sie halten Afghanistan also nicht für ein sicheres Rückkehrland?

So ist meine Meinung dazu, ja.

 

Melisa Ergül-Puopolo ist "Abschiebebeobachterin" der Diakonie der Evangelischen Kirche in Hessen. Ziel ihrer Tätigkeit ist es, Transparenz in einen nicht öffentlich kontrollierbaren Bereich des staatlichen Handelns im Rahmen von Abschiebungen zu bringen.

Das Interview führte Peter Hille.