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Abscheulich und töricht

Zusammengestellt von Markus Frenzel5. Mai 2004

Die Folterung von Irakern durch amerikanische Soldaten empört die internationale Presse. So gut wie alle Blätter verurteilen das brutale Vorgehen des US-Militärs im Mittleren Osten.

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Für die in Paris erscheinende linke Tageszeitung "Libération" sind die Folterungen nicht nur abscheulich, sondern auch töricht, weil sie den USA eine wichtige Niederlage bescherten. "Ihre Bilder schüren den anti-amerikanischen Hass in der arabischen Welt. Sie rufen auch sonst überall Abscheu hervor. Und sie nehmen der Besatzung Iraks das bisschen an moralischer Legitimität, das ihr die Koalition durch den Sturz der Diktatur verschafft hatte - deren trauriges Symbol eben das Gefängnis Abu Gharib war."

Kritisch geht die deutsche Regionalzeitung "Mannheimer Morgen" nicht nur mit den amerikanischen Besatzern des Irak ins Gericht, sondern auch mit Präsident Bush und seiner Mannschaft. "Dass die amerikanische Regierung bereits seit einem halben Jahr über die Folter-Vorwürfe informiert ist und belastende Untersuchungen unter Verschluss hält, ist der Skandal hinter dem Skandal. Die Heimlichtuerei nährt den Verdacht, dass die Misshandlungen kein Einzelfall sind, sondern Teil systematischer Verhörmethoden."

Auch die "Baseler Zeitung" aus der Schweiz greift die US-Regierung scharf an. "Beim Umgang mit Gefangenen hat die Bush-Regierung im 'Kampf gegen den Terror' von Anfang an internationale Regeln und die verbrieften Rechte der Inhaftierten ignoriert." Menschenrechtsorganisationen klagten schon seit langem auch über den Einsatz fragwürdiger Verhörmethoden in den verschiedenen abgeschotteten Gefängnissen der US-Streitkräfte - von Afghanistan, über den Irak bis Guantanamo. "Mit Schlafentzug, Endlosverhören und psychischem Druck wird ein Klima gefördert, in dem die Menschenwürde des Feindes weniger zählt als sein möglicher nachrichtendienstlicher Nutzen."

Wieviel Schwachsinn noch?

Ähnlich sieht es die linksliberale Wiener Zeitung "Der Standard". "Die Reaktionen waren so vorhersagbar: Auf der einen Seite die dumme und falsche Behauptung, dass es unter Saddam Hussein auch nicht ärgerlich war, auf der anderen der arrogante Hinweis, dass die Folter von irakischen Gefangenen durch US-Soldaten erstens öffentlich gemacht, zweitens geahndet und drittens nicht systematisch sei. Ein paar wenige schwarze Schafe, und überhaupt: Ein Amerikaner tut so etwas nicht. Grundgütiger! Wie viel Schwachsinn werden wir uns noch zum Irak anhören müssen?"

Die internationale Empörung bündelt die kommunistische Tageszeitung "Neues Deutschland" aus Berlin. "Die Welt, zumindest ein Teil von ihr, schreit auf. Sie verlangt völlig zu Recht Aufklärung und Konsequenzen." Allerdings sei das amerikanische Handeln voraussehbar gewesen. "Die US-Angriffskriegsführung schreckte technologisch vor nichts zurück, wenn es gegen Stellungen und Städte ging. Warum sollte sie moralisch zurückschrecken, wenn es gegen einzelne Menschen geht?" Zwar sei dieses Verhalten nicht speziell anglo-amerikanischer Natur. Allerdings träfe die Kritik diese nun besonders. "Sind sie es doch, die aller Welt dauernd weismachen wollen, in Freiheits- und Friedensmission zu handeln."

Die rechts-liberale "Financial Times Deutschland" beleuchtet die moralische Dimension des Irak-Einsatzes. "Im Kampf gegen Terroristen und irakische Widerstandsgruppen sind moralische und rechtsstaatliche Standards auf breiter Front ins Rutschen gekommen." Teilweise sogar mit dem Einverständnis der Öffentlichkeit behandelten die USA vermeintliche Terroristen äußerst brutal und gewährten ihnen keinerlei Bürgerrechte. "Die Exzesse von Abu-Ghraib sind in diesem Umfeld keine zufällige Disziplinlosigkeit einer Handvoll gestresster und überforderter GIs. Sie deuten auf gravierende Fehler im System: Missverständliche und doppelbödige Signale der Führung, ungenügende Kontrolle, völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein."

"Die Anschuldigungen über Folter an irakischen Häftlingen konnten für die amerikanisch-britische Koalition nicht zu einem ungünstigeren Zeitpunkt erhoben werden - nach dem blutigsten Monat seit dem - offiziellen - Kriegsende", schreibt die liberale französische Tageszeitung "Le Monde". Es bleibe festzustellen, dass die unannehmbaren Taten in einem seit der 'Befreiung' des Irak zunehmend vergifteten Klima zwischen Amerikanern und Irakern begangen worden seien. "Wenn die USA ihre Ehre retten wollen, dann müssen sie nun dafür sorgen, dass die Schuldigen bestraft werden, solche Abscheulichkeiten nicht noch einmal vorkommen und das Kriegsrecht respektiert wird."