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Abkommen mit Fallstricken

Nicolas Martin
29. Dezember 2020

Nach sieben Jahren zäher Verhandlungen haben sich die EU und China auf ein Investitionsabkommen geeinigt. Demnach sollen europäische Firmen einen besseren Marktzugang in China bekommen. Doch der Teufel steckt im Detail.

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Belgien l Videokonferenz zu Investitionsabkommen zwischen EU und China
Bild: Johanna Geron/AP/picture-alliance

Nun ist es auch von offizieller Seite bestätigt. Die Europäische Union und China haben sich nach sieben Verhandlungsjahren auf ein Investitionsabkommen geeinigt. "Heute haben wir die Gespräche mit China im Grundsatz abgeschlossen", ließ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen per Twitter mitteilen. Zuvor hatte sie sich über Videokonferenz mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, EU-Ratspräsident Charles Michel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzzlerin Angela Merkel zusammengeschaltet.

Schon gestern war aus EU-Kreisen durchgesickert, dass eine Einigung für das Abkommen mit dem sperrigen Namen "Comprehensive Agreement on Investment" (CAI) unmittelbar bevorstand. Das Investitionsabkommen ist bisher nur eine politische Vereinbarung, aber eine mit wirtschaftlicher Sprengkraft.

Ungleiche Ausgangsbedingungen

Anders als bei einem Freihandelsabkommen geht es im Investitionsabkommen nicht um Zölle, sondern vor allem um den Zugang zu den gegenseitigen Märkten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lobte das Abkommen zwar, warnte aber auch vor zu hohen Erwartungen. Auch mit der Vereinbarung erhielten Investoren "noch keinen wirklich freien Marktzugang in China".

EU-Ratspräsidentschaft Deutschland | PK Ursula von der Leyen & Angela Merkel
Ziel erreicht: Angela Merkel wollte das Abkommen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erreichenBild: Reuters/K. Nietfeld

Der Außenhandelsverband BGA bezeichnete das Abkommen als "gute Nachricht" zum Jahresende. Es sei "höchste Zeit, dass die Asymmetrie beim Marktzugang für Investitionen zwischen der EU und China beseitigt wird", erklärte BGA-Präsident Anton Börner.

Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln begrüßt die Einigung, gibt aber auch zu Bedenken: "Die Ausgangsposition ist ungleich. Chinas Markt ist viel verschlossener, aber in Europa kann jeder bereits frei investieren. Deshalb war von vornherein klar, dass China mehr Zugeständnisse machen musste als die EU, das kann man jetzt nicht als besonderen Erfolg feiern", so der Ökonom im Gespräch mit der DW.

In einigen Bereichen müssen europäische Firmen bei Niederlassungen in der Volksrepublik noch immer ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner eingehen und somit auch ihre Geschäftsgeheimnisse teilen. "Bisher hat China in vielen Bereichen vor allem Versprechungen gemacht, aber den Zugang für europäische Firmen und den Schutz geistigen Eigentums in der Praxis kaum verbessert - es bleibt abzuwarten, ob das Abkommen diesmal mehr als Lippenbekenntnisse bereithält", so Matthes.

Noch nicht in Stein gemeißelt

Die bisher bekannten Informationen lesen sich sehr vage. So heißt es aus EU-Kreisen, dass die EU nun verbesserten Zugang zum chinesischen Markt mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern bekommen soll. Dazu sollen auch Sektoren wie Energie, Gesundheit, Fahrzeuge und Cloudangebote gehören.  

Um den Diebstahl von geistigem Eigentum zu unterbinden, soll es neben neuen Regeln zum ersten Mal auch klare Vorgaben für das Verhalten von chinesischen Staatsunternehmen und mehr Transparenz bei Subventionen geben. Für Matthes ist gerade die Schaffung von mehr Wettbewerbsgleichheit ein zentraler Punkt. "Aktuell ist der Wettbewerb verzerrt. Vor allem chinesische Staatskonzerne, aber auch private Firmen werden umfassend subventioniert und machen uns auf dem Weltmarkt und hier in Europa zunehmend Konkurrenz zu unfairen Bedingungen", sagt Matthes.

Zwar sei ein verbesserter Marktzugang wünschenswert. "Davon profitieren aber vor allem große internationalen Konzerne. Die kleinen und mittelständischen europäischen Unternehmen mit Fokus auf den EU-Markt haben davon nichts, werden es aber hier zunehmend mit chinesischen Staatskonzernen zu tun bekommen, mit denen sie nicht zu gleichen Bedingungen konkurrieren können." Deshalb hätte die Beseitigung der chinesischen Wettbewerbsverzerrungen das vorrangige Ziel beim Abkommen sein müssen.

Wie lautet die Rechnung für die EU?

Laut EU-Quellen verpflichtet sich China demnach auch zu Bestimmungen bei Nachhaltigkeitszielen. Zeitweise waren die Gespräche wegen eines Streits über Zwangsarbeit in China ins Stocken geraten. Die Probleme scheinen nun ausgeräumt. So habe China zugesagt, "dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen" zur Ratifizierung der Konvention der internationalen Arbeitsorganisation ILO zur Zwangsarbeit zu unternehmen. Darüber hinaus werde die EU autonom weitere Instrumente zum Kampf gegen Zwangsarbeit entwickeln.

Made in Germany - China - Vom Partner zum Rivalen?

Das Verhandlungsergebnis sei das ehrgeizigste, das China jemals mit einem Drittstaat vereinbart habe, hieß es aus den EU-Kreisen weiter. Noch ist allerdings unklar, was die EU als Gegenleistung bereit war zu geben. Laut EU-Kreisen ist beispielsweise die Frage nach der umstrittenen Ausstattung von 5G-Netzen durch den chinesischen Hersteller Huawei in den Verhandlungen ausgeklammert.

Jürgen Matthes befürchtet, dass eine verbindliche Festschreibung der Offenheit des europäischen Marktes der EU Nachteile bringen könnte. "Wenn China in der Praxis nicht liefert, was es verspricht, dann muss die EU auch Möglichkeiten haben, vom Abkommen abzuweichen und ihren Markt stärker zu schließen."

Bruch mit den USA?

Für Angela Merkel wäre das Investitionsabkommen ein Erfolg. Denn gerade sie hatte sich immer wieder dafür eingesetzt und ein Ergebnis innerhalb der deutschen Ratspräsidentschaft eingesetzt. Diese geht am 31. Dezember zu Ende. Umso größer ist auch Befürchtung, dass das Abkommen nun überhastet zustande gekommen sein könnte. Kritiker bemängeln mangelnde Garantien Chinas beim Thema Arbeitsrechte. So sagte der Grünen-Europaabgeordnete Bütikofer dem Deutschlandfunk, dass sich die EU-Kommission in dieser Frage mit Geschwätz zufrieden gebe. Auch Sanktionsmöglichkeiten seien nicht vorgesehen.

Wilmington, USA | Rede Joe Biden Videokonferenz Außenpolitik
Durchkreuzt die EU mit dem Abkommen die China-Pläne von Joe Biden? Bild: Jonathan Ernst/REUTERS

Auch Transatlantiker geben zu bedenken, dass die EU mit dem Abkommen nun die USA verschrecken könnte. Dort bastelt der designierte US-Präsident Joe Biden bereits an seiner China-Strategie. Sein Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte auf Twitter die Verhandlungen zwischen der EU und China kommentiert. Demnach würde die neue amerikanische Administration "frühe Konsultationen mit unseren europäischen Partnern über unsere gemeinsamen Besorgnisse über Chinas wirtschaftliche Praktiken begrüßen."

Heißt im Klartext: Die USA könnten erst mal durch das Vorpreschen der EU verstimmt sein. Auch Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft hätte sich ein gemeinsames Vorgehen mit den USA gewünscht. "Gerade beim Punkt des chinesischen Staatskapitalismus und der Wettbewerbsverzerrungen ist die Chance mit den USA gemeinsam größer, etwas wirklich Greifbares zu erreichen", so Matthes. Durch das Abkommen könne die EU ihr Pulver zu früh verschießen.

Doch selbst nach der sich nun anbahnenden politischen Grundsatzeinigung gebe es noch immer Klärungsbedarf im Detail - so EU-Quellen. Danach folgen dann auch noch die Ratifizierung des Abkommens. Zeit für politische Erwägungen, Machtspiele und eine öffentliche Debatte ist also durchaus noch gegeben.