BND: Mehr Frust als Lust
1. April 2016Positives über den Bundesnachrichtendienst berichten? Keine leichte Aufgabe. Fast unmöglich. Und das liegt in der Natur der Sache. Schließlich soll der BND mit einem Höchstmaß an Diskretion Erkenntnisse über das Ausland sammeln, "die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind". So steht es in Paragraf 1 des BND-Gesetzes. Die in Pullach bei München ansässige Behörde mit ihren rund 6500 Mitarbeitern arbeitet im Verborgenen. Je geräuschärmer sie das tut, desto beruhigender. Theoretisch jedenfalls. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Skandale ziehen sich wie ein roter Faden durch die Historie des am 1. April 1956 gegründeten BND.
Bei genauerer Betrachtung handelt es sich lange um einen braunen Faden, denn der westdeutsche Auslandsgeheimdienst wurzelt personell kräftig in der Nazi-Zeit. Chef der BND-Vorgängerin "Organisation Gehlen" war ein General der Wehrmacht. Unter Hitler leitete jener Reinhard Gehlen die Abteilung Fremde Heere Ost. Das prädestinierte ihn aus Sicht der US-amerikanischen Besatzungsmacht dafür, ein wachsames Auge vor allem auf die Sowjetunion und ihr Einflussgebiet zu werfen. Die Pionierarbeit lohnt sich für Gehlen, er wird erster BND-Präsident und bleibt es bis 1968. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt der Dienst noch immer mehrere hundert Leute mit NS-Vergangenheit.
Streit um Klarnamen ehemaliger Mitarbeiter und Spitzel
Positive Nachrichten? Immerhin sollen nach BND-Angaben noch in den 1960er Jahren etwa 70 belastete Mitarbeiter entlassen worden sein. Der Grund: Beteiligung an Kriegsverbrechen. Schonungslose Offenheit im Umgang mit seinem dunkelsten Kapitel fällt dem Auslandsgeheimdienst trotzdem noch immer schwer. Das belegen unterschiedliche Auffassungen zwischen dem BND und der von ihm 2011 eingesetzten Unabhängigen Historikerkommission (UHK). Ihr Auftrag: die Zeit bis 1968 aufzuarbeiten. Also die Ära Gehlen. Gestritten wird vor allem darüber, ob und welche Namen ehemaliger Mitarbeiter und Spitzel veröffentlicht werden dürfen.
Vergleichsweise ruhig verläuft die BND-Geschichte zwischen 1970 und 1990. Es ist die Ära der Entspannungspolitik, die in den Fall des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West mündet. Im vereinten Deutschland wird erstmals ein "Gesetz über den Bundesnachrichtendienst" beschlossen. Anders ausgedrückt: Der BND arbeitete 34 Jahre ohne rechtliche Grundlage im engeren Sinne. Immerhin können Bundestagsabgeordnete im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) die Arbeit der Geheimdienste kontrollieren. Sie tagen natürlich geheim in einem abhörsicheren Raum, fühlen sich aber oft schlecht informiert oder gar absichtlich getäuscht. Eine Erfahrung, die sie in der seit 2013 schwelenden NSA-Affäre andauernd machen.
Die Früchte des NSA-Untersuchungsausschusses
Wieder einmal beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Gebaren des BND. Er soll seinem US-amerikanischen Partnerdienst unter Missachtung deutschen Rechts dabei geholfen haben, die globale Telekommunikation auszuspähen. Abgehört wurden demnach zahlreiche europäische Regierungen und Institutionen, auch deutsche. Ohne die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden wüsste die Welt wohl immer noch nichts von diesen Machenschaften. Mitte März wurde Außenminister Frank-Walter Steinmeier im NSA-Untersuchungsausschuss befragt. Ihm ist der BND unterstellt
Als Zeuge musste auch schon der seit 2012 amtierende BND-Präsident Gerhard Schindler den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Von den gesetzeswidrigen Praktiken seiner Behörde will er nichts gewusst und erfahren haben. Dass die Bundesregierung nun das BND-Gesetz verschärfen will, begrüßt Schindler. Künftig soll es ausdrücklich verboten sein, befreundete Länder in Europa auszuspionieren. "Was ein Auslandsnachrichtendienst darf und was nicht, müsste eigentlich schon längst geklärt sein", wundert sich der BND-Chef in einem aktuellen Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die Fälle Murat Kurnaz und Khaled El-Masri
Der NSA-Untersuchungsausschuss ist lediglich das jüngste Beispiel, bei dem es auch um den BND geht. Thema früherer Ausschüsse waren bespitzelte Journalisten und die Verschleppung vermeintlicher Terroristen durch amerikanische Geheimdienste. Für besonderes Aufsehen sorgten die Schicksale von Murat Kurnaz und Khaled El-Masri. Sie waren im Rahmen des internationalen Anti-Terror-Kampfes ins Visier der Geheimdienste geraten. Der eine landete im US-Gefangenenlager Guantanamo, der andere wurde nach Afghanistan entführt. Beide waren unschuldig. Welche Rolle der BND dabei spielte, blieb unklar.
Angesichts solcher dubiosen Geschichten klingen Meldungen über Pannen und Sabotage beim BND-Neubau in Berlin fast schon wie Witze. Etwa, dass durch auslaufendes Wasser ein Millionen-Schaden entstanden sei. So geschehen im März 2015. Die künftige Zentrale im Regierungsviertel wird dadurch noch einmal teurer - mehr als eine Milliarde Euro kostet der Umzug von Pullach in die deutsche Hauptstadt.
Bilder einer Ausstellung: "UNHEIMLICH"
Wenn alles fertig ist, soll es auch ein öffentliches Besucherzentrum geben, "in dem über die Arbeit und den Auftrag des Bundesnachrichtendienstes informiert wird". Diese Nachricht in eigener Sache erhält man auf der BND-Homepage. Dort gibt es auch Hinweise auf aktuelle Ausstellungen über den deutschen Auslandsgeheimdienst. Zu sehen in Washington, Dresden und Hamburg. Darunter ist eine Fotodokumentation von Martin Lukas Kim, deren Titel so schlicht wie passend ist angesichts von 60 Jahren BND: "UNHEIMLICH - Der Bundesnachrichtendienst 1956 - 2016".