Im Zentrum der RAF
24. November 2008Nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback im April 1977 gehörte Klar sofort zu den Verdächtigen, nach denen im In- und Ausland gesucht wurde. Der junge Mann mit dem schmalen Gesicht war in den nächsten Jahren auf allen Fahndungsplakaten zu sehen. Seine bürgerliche Kindheit hatte Klar zu diesem Zeitpunkt weit hinter sich gelassen.
Von der Studenten-WG zur RAF
"Irgendwas ist bei mir anders gewesen", so beschrieb Christian Klar, der vier Geschwister hat, seinen Weg zum Extremisten. Christian Georg Alfred Klar wurde am 20. Mai 1952 in Freiburg im Breisgau geboren. Seine Mutter war Gymnasiallehrerin, sein Vater Vizepräsident des Oberschulamtes in Karlsruhe. Die Mutter schildert er später als liebevoll und freiheitsorientiert. Den Vater nennt er eher autoritär.
Als Student der Philosophie und Geschichte in Heidelberg kam Klar schnell in Kontakt mit Sympathisanten der linksextremistischen Rote Armee Fraktion, RAF. Er zog mit ihnen in eine Wohngemeinschaft.
1974 beteiligte er sich an der Besetzung des Büros von Amnesty International in Hamburg, um gegen die Haftbedingungen der gefangenen RAF-Terroristen, der sogenannten Baader-Meinhof-Bande, zu demonstrieren. Seit 1976 galt Klar dann selbst als Mitglied der RAF. Er lebte im Untergrund.
Auftakt für ein Jahr des Terrors
Der 5. Januar 1977 markierte im Urteil der Stuttgarter Richter von 1985 den ersten versuchten Mord durch Christian Klar - begangen an einem Schweizerischen Grenzbeamten und einem Autofahrer, dessen Fahrzeug er stehlen wollte. Es war der Auftakt für ein Jahr, in dem der Terror der RAF die Schlagzeilen in Deutschland bestimmte. Christian Klar, so sehen es seine Richter, stand neben Brigitte Mohnhaupt im Zentrum der terroristischen Aktivitäten.
Schließlich wurde er wegen gemeinschaftlich begangenen neunfachen Mordes und elffachen Mordversuchs verurteilt, so steht es im Urteil. Wer bei den einzelnen Terrorakten tatsächlich tödliche Schüsse abgab, ist in den meisten Fällen unbekannt. Denn die früheren RAF-Mitglieder weigern sich bis heute, darüber auszusagen. Auch Christian Klar lehnte entsprechende Aussagen ab, er sprach von "Denunziation". So blieben viele Ereignisse aus dem sogenannten "Deutschen Herbst" von 1977 in ihren Einzelheiten ungeklärt. Darunter leiden bis heute die Angehörigen der Terroropfer.
Das Urteil gegen Christian Klar liest sich in weiten Teilen wie eine Chronik der Terroranschläge des Jahres: Der Mord im April an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, seinem Fahrer und Leibwächter findet sich darin ebenso wie die Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto Ende Juli, die Entführung von Arbeitgeberpräsident Martin Schleyer im September, bei dem sein Fahrer und seine Leibwächter erschossen wurden, sowie die Ermordung Hans Martin Schleyers Mitte Oktober 1977.
Festnahme im Jogging-Anzug
Nach der Ermordung Schleyers, nach der Befreiung der entführten Lufthansa-Maschine Landshut in Mogadischu und nach dem Selbstmord der RAF-Häftlinge Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe im Gefängnis Stuttgart-Stammheim lebte Christian Klar noch fünf Jahre im Untergrund. Im November 1982 lief er in einem Jogginganzug in einem Wald bei Hamburg wartenden Polizisten an einem RAF-Versteck in die Arme.
Die Verhaftung Klars erfolgte wenige Tage nach der von Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz. Damit war der Polizei ein Schlag gegen die 2. Generation der RAF gelungen. Christian Klar wurde in Bruchsal inhaftiert und 1985 in Stuttgart im selben Prozess wie Mohnhaupt zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilt. Wegen "besonderer Schwere der Schuld" wurde eine vorzeitige Haftentlassung ausgeschlossen.
1997 entschieden Stuttgarter Richter dann, dass die Mindesthaftzeit nach 26 Jahren und damit im Januar 2009 endet. Klars Antrag auf Begnadigung hatte Bundespräsident Horst Köhler 2007 nach einem persönlichen Gespräch mit Klar abgelehnt. Über die Gründe schwieg Köhler. Gutachter Klars stellten ihn schon damals als unbelehrbar aber ungefährlich dar.
In der öffentlichen Debatte warf man Klar immer wieder vor, dass er sich niemals offiziell von seinen Taten distanzierte und Reue zeigte. Bei einem Fernsehinterview im Jahr 1991 schwieg Christian Klar zunächst zehn Sekunden lang, bevor er auf die Frage nach Schuldgefühlen und der Trauer um die Terroropfer antwortete: "Ich überlasse der anderen Seite die Gefühle - und respektiere diese Gefühle, aber ich mache sie mir nicht zu eigen".