US-Staffel nicht nur in Tokio zu langsam
5. August 2021Das Urteil des Altmeisters war vernichtend. "Alles falsch gemacht" habe die Sprinter-Staffel der USA beim Vorlauf in Tokio, twitterte Sprintlegende Carl Lewis. "Die Stab-Übergabe war falsch, die Reihenfolge der Athleten war falsch, und es war klar, dass keiner die Führungsrolle innehatte." Der inzwischen 60 Jahre alte Lewis hatte zwischen 1984 und 1996 bei Olympischen Spielen insgesamt neun Goldmedaillen gewonnen, zwei davon mit der 4x100-Meter-Staffel. "Es war eine Blamage und völlig inakzeptabel, dass ein US-Team ein schlechteres Bild abgab als die Kids der AAU [Amateur-Leichtathletik-Verband der USA - Anm. d. Red.], die ich gesehen habe", schloss "Carl, der Große" seine Schimpftirade.
Trayvon Bromell, Fred Kerley, Ronny Baker und Cravon Gillespie hatten in Tokio in ihrem Vorlauf mit einer Zeit von 38,10 Sekunden nur den sechsten Platz erreicht und damit das Finale verpasst. Selbst die deutsche Sprinter-Staffel war mit 38,06 Sekunden schneller und qualifizierte sich über die Zeit für den Endlauf.
Einst galt die 4x100-Meter-Staffel als fast sichere Gold-Bank für die USA. Bei den zehn Sommerspielen zwischen 1964 und 2000 wurde das US-Quartett siebenmal Olympiasieger, 1980 in Moskau waren sie wegen des Boykotts der Spiele gar nicht dabei.
Zum vierten Mal in Folge ohne Medaille
Seit der Silbermedaille 2004 in Athen ist das Scheitern der US-Staffel-Sprinter allerdings fast schon zurr Tradition geworden. 2008 in Peking patzten die US-Boys - wie jetzt in Tokio - bereits im Vorlauf. 2012 in London gewann das US-Quartett zunächst Silber hinter Jamaika, musste drei Jahre später allerdings die Medaille zurückgeben - weil Staffel-Mitglied Tyson Gay nachträglich des Dopings mit anabolen Steroiden überführt worden war. 2016 in Rio de Janeiro landeten die US-Sprinter zunächst auf dem Bronze-Rang hinter Jamaika und Japan, wurden dann aber disqualifiziert: Sie hatten bei einem Wechsel den Stab außerhalb der dafür erlaubten Zone übergeben.
Zu wenig geübt
Startläufer Bromell, der mit 9,77 Sekunden die Jahresweltbestzeit über 100 Meter hält, war nach der Staffel-Pleite in Tokio bedient. "Um ehrlich zu sein, das ist wirklich so was von BS [amerikanische Abkürzung für Bullshit]", sagte der 26-Jährige, der zuvor auch schon überraschend im 100-Meter-Halbfinale ausgeschieden war.
Auch Schlussläufer Gillespie fand es "frustrierend, hierherzukommen und mit nichts nach Hause heimzukehren". Der 25-Jährige wurde gefragt, worin denn die Ursache der nun schon fast chronischen Staffel-Schwäche der USA liege. "Ich will niemanden in die Pfanne hauen, aber wir müssen auf jeden Fall mehr üben", antwortete Gillespie. Wann sie denn mit dem Training begonnen hätten, lautete die Nachfrage. Erst wich Gillespie aus, dann räumte er kleinlaut ein: "Vor zwei Tagen."