20 Jahre nach dem Bürgerkrieg in Mosambik
4. Oktober 2012Nur Antilopen. Keine Elefanten, keine Nashörner, keine Büffel und auch keine Löwen oder Leoparden. Heute kann Moutinho nicht viel auf seiner Safari-Tour zeigen, die "Big Five" fallen aus. Im Gorongosa-Park lassen sie sich nur selten blicken. Vor dem Bürgerkrieg war das anders. Zur Kolonialzeiten der Portugiesen waren die fünf Arten - die von den Großwildjägern "Big Five" getauft wurden, weil sie die am schwersten zu erlegenden Tiere waren - oft zu sehen.
20 Jahre nach dem Friedensschluss in Mosambik sind die Elefanten im Park scheu und zeigen sich nicht gerne. "Die Elefanten sind aufgrund der Vergangenheit noch traumatisiert. Sie mussten miterleben, wie andere Elefanten angegriffen wurden", erzählt Safari-Führer Moutinho. "Wenn sie heute ein Fahrzeug sehen, dann bedeutet das für sie eine Gefahr und sie rennen weg. Nur einige Elefanten gewöhnen sich allmählich daran, aber längst nicht alle."
Elefanten können bis zu 70 Jahre alt werden. Und sie haben ein außergewöhnliches Gedächtnis. Die Gorongosa-Dickhäuter erinnern sich noch gut daran, wie ihre Eltern oder ihre Geschwister abgeschlachtet wurden.
Hauptbasis der RENAMO-Rebellen mitten im Naturpark
Die Nationale Widerstandsbewegung Mosambiks, die RENAMO (Resistência Nacional Moçambicana), errichtete Ende der 1970er Jahre mitten im Park ihr Zentralkommando. Gorongosa war ideal: ein zentral in Mosambik gelegenes, schwer zugängliches Gebiet, dazu noch weit weg von den von der Regierung kontrollierten Großstädten.
Der Bürgerkrieg hatte 1977 begonnen, als sich die Rebellen der Nationalen Widerstandsbewegung RENAMO gegen die Regierung der marxistischen Befreiungsbewegung Mosambiks FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique) erhoben. Die RENAMO konnte dabei auf die Hilfe des damaligen Rhodesien (heute Simbabwe) und des Apartheid-Staats Südafrika zählen. Vor allem in Mittelmosambik erhielten die Rebellen Unterstützung von der Bevölkerung, da sich viele von den mehrheitlich aus Südmosambik stammenden FRELIMO-Kadern der Regierung nicht repräsentiert fühlten.
Wilderei während des Krieges außer Kontrolle
Mit der Ankunft der Rebellen im Gorongosa-Nationalpark nahm die Wilderei drastisch zu. Die Rebellen töteten die Elefanten und tauschten das Elfenbein gegen Waffen und Nahrung. Doch auch die Regierungssoldaten töteten Elefanten. Und was es sonst noch im Park an Wildtieren gab, wurde von den Kämpfern und der lokalen Bevölkerung aufgegessen. Wenige Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs waren 90 Prozent der Tiere verschwunden.
Heute, 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs, gibt es wieder zahlreiche Tiere im Park. Doch Wilderei ist weiter ein Problem. Etwa 6000 Tiere werden Jahr für Jahr erlegt. 120 Ranger versuchen, dem Einhalt zu gebieten.
Früher gegen die Rebellen, heute gegen die Wilderer
Armilo Cheless ist hier im Park besser als "Chefe Dois" bekannt, unter seinem Kriegsnamen. Aus der Zeit des Bürgerkriegs stammt auch seine martialische Sprache. Heute sind die Wilderer seine Feinde. Früher kämpfte er als Regierungssoldat gegen die RENAMO-Rebellen: "Der Bürgerkrieg war ein Konflikt zwischen Brüdern", sagt Cheless. "Selbst beim Schlafen dachten wir an die Kämpfe, wir träumten davon. Es gab nicht anderes zu tun, als Pläne gegen den Feind zu schmieden und sich auf die nächste Attacke vorzubereiten."
Der Wilderer als Koch
Wenn es im Park Nacht wird, trifft man sich in der Bar des Campingplatzes von Chitengo. Tatu Alexandre Jorge ist hier der Küchenchef. 43 Jahre ist er alt und hinter seinem sanften Lächeln kann er seine Vergangenheit gut verbergen: "Ich war ein weit bekannter Wilderer während und nach dem Bürgerkrieg." Als der Krieg mit dem Friedensvertrag von Rom zu Ende ging, mussten alle ihre Waffen abgeben, erinnert er sich: "Aber wir haben dann mit Fallen weitergejagt. Der ein oder andere Wilderer weigerte sich, die Waffen abzugeben, aber ich fand das so kurz nach dem Ende des Krieges zu gefährlich. Schließlich konnte man in den Knast wandern oder ein saftige Strafe bekommen", erzählt er.
Inzwischen hat Tatu das Wildern ganz aufgegeben. Bis vor kurzem musste er noch 15 Kinder ernähren. Acht eigene, dazu vier von einem Bruder und weitere drei vom anderen. Beide Brüder sind während des Bürgerkriegs gefallen. Einer auf Seiten der Rebellen für die RENAMO, der andere auf Seiten der Regierung für die FRELIMO.
Umkämpfte Basis im Nationalpark
"Die FRELIMO rückte zusammen mit den verbündeten Soldaten aus Simbabwe an. Sie überfielen die RENAMO-Basis", erinnert sich Tatu noch gut an die Schlacht im August 1985, als die Regierung für kurze Zeit die RENAMO-Zentrale erobern konnte. Sein Bruder, der für die RENAMO kämpfte, konnte zunächst fliehen und sich verstecken, sagt Tatu. "Am folgenden Tag dachte er, die Luft wäre rein, doch er wusste nicht, dass sich die FRELIMO noch zwei, drei Tage nach dem Angriff im Wald versteckt hielt, um Jagd auf die Rebellen zu machen. Sie haben ihn bei der Flucht erwischt und erschossen."
Tatu selbst hat während des Krieges gewildert - was ihm letztendlich zu seinem heutigen Job im Nationalpark verholfen hat. Der Park sichert Tatus Einkommen und nimmt ihm damit den Grund, weiter zu wildern. Tatu ist von der Carr Foundation angestellt worden, die sich für den Park engagiert.
Eine private Stiftung investiert in den Park
2008 hat die Carr Foundation als private Stiftung einen Vertrag mit der Regierung Mosambiks abgeschlossen, der vorsieht, dass der Nationalpark in den nächsten 20 Jahren gemeinsam verwaltet wird. Gründer der Stiftung ist Gregory Carr. Der 1959 in Idaho (USA) geborene Unternehmer hat im Telekommunikations-Bereich sein Vermögen gemacht, sich aber in den vergangenen Jahren auf seine Stiftung konzentriert.
40 Millionen US-Dollar hat die Carr-Stiftung bisher in den Park investiert, um die Wunden des Bürgerkriegs zu heilen. Um der Wilderei den Nährboden zu entziehen, engagiert sich die Carr-Stiftung auch gegen die Armut in der Region. Die Stiftung hat Schulen und Gesundheitszentren in den Dörfern rund um den Park gebaut.
Arbeitsplätze für die Bevölkerung
"98 Prozent der Angestellten des Parks sind Mosambikaner. Das ist ihr Park und sie sind sehr talentiert", verweist Gregory Carr auf die 350 Jobs, die der Park für die lokale Bevölkerung geschaffen hat. "Ich bin stolz darauf, dass unser Team geschlossen zusammensteht. Ich bin stolz, weil ich glaube, dass wir unser Ziel erreichen werden. Unser Ziel ist es, aus Gorongosa einen herrlichen Park zu machen."
Ob die Angestellten des Parks früher auf der Seite der FRELIMO oder der RENAMO gekämpft haben, ist heute unwichtig. Was zählt, ist, dass bald wieder viele Touristen kommen, um auf ihren Safaris möglichst viele Wildtiere der "Big Five" sehen zu können.