1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

16.000 gegen die Telekom

Rolf Wenkel7. April 2008

Der bisher größte Zivilprozess der deutschen Wirtschaftsgeschichte dürfte spannend werden. 16.000 Kläger wollen Geld von der Telekom zurück. Doch Sammelklagen nach US-Vorbild sind in der Bundesrepublik Neuland.

https://p.dw.com/p/Dc47
T wie Trauerspiel: Von der Euphorie für die Telekom-Aktie ist wegen des Wertverlustes nicht viel geblieben: Das Telekom-Logo 'T' wird an einem Haus abmontiert (Foto: dpa)
T wie Trauerspiel: Von der Euphorie für die Telekom-Aktie ist wegen des Wertverlustes nicht viel gebliebenBild: picture-alliance/ dpa

Sie sollte einmal zur Volksaktie werden - die T-Aktie des magentafarbenen Telekom-Riesen mit Sitz in Bonn. Doch als der Bund über seine Hausbank KfW am 19. Juni 2000 die dritte Tranche seines Aktienpakets unter die Leute brachte, da hatte die T-Aktie ihre beste Zeit schon hinter sich. Nach ihrem Höchststand im März 2000 bei 103,50 Euro ging es stetig bergab. Wer bei der dritten Neuemission bei 66,50 Euro eingestiegen war, hatte zwei Jahre später über zwei Drittel seines Geldes verloren. Kein Wunder, dass viele Anleger über das Wortgeklingel des damaligen Telekom-Chefs Ron Sommer sauer waren.

Falsche Angaben im Börsenprospekt?

Dumm gelaufen, könnte man sagen. Und die Sache abhaken. Denn schließlich sind Anleger für ihre Entscheidungen selbst verantwortlich - also auch für ihre Verluste an der Börse. Doch als die Telekom im Jahr 2001 den Wert ihrer Immobilien um 2,5 Milliarden Euro nach untern korrigieren musste, sahen die Anleger eine Chance: Der Immobilienbesitz sei zu hoch bewertet worden, argumentieren sie, folglich seien die Angaben im Börsenprospekt zum dritten Börsengang falsch und der Preis der Aktie überhöht gewesen. 17.000 Klagen trudelten daraufhin beim Frankfurter Landgreicht ein, und nur etwa 1000 Kläger haben bislang einen Rückzieher gemacht.

Klage Deutsche Telekom Aktionäre Landgericht Frankfurt
Die Klagen stapeln sichBild: AP

Die anderen aber fanden noch ein zweites Haar in der Suppe: Den Kauf des amerikanischen Mobilfunkanbieters VoiceStream. Rund 34 Milliarden Euro hatte die Telekom im Jahr 2001 dafür hingeblättert - viel zu viel, argumentieren die Kläger. Sollte dieser Preis schon in der Zeichnungsphase für die Aktie beschlossene Sache gewesen sein, wäre dies mitteilungspflichtig gewesen - und hätte vielleicht manche Kläger vom Kauf der Aktie abgehalten.

Aus Rücksicht auf die Nicht-Kläger

Rund 80 Millionen Euro Schadensersatz verlangen die 16.000 Kläger - ein Klacks für die Telekom. Mit einer außergerichtlichen Einigung wäre die Sache schon vor gut sieben Jahren vom Tisch gewesen. Doch die Telekom weigert sich - das wäre ungerecht gegenüber jenen Aktionären, die nicht zum Richter gelaufen sind.

Musterverfahren für Sammelklagen in Deutschland

Eigentlich sind Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild in der deutschen Rechtssprechung nicht möglich. Doch mit 16.000 Einzelverfahren wären die deutschen Gerichte auf Jahre hinaus hoffnungslos überfordert gewesen. Deshalb wurde im Jahr 2005 eigens ein Gesetz für Massenverfahren auf den Weg gebracht, das Musterverfahren erlaubt: Das Kapitalanlerger-Musterverfahrensgesetz, kurz: KapMuG. Während des Musterprozesses ruhen alle anderen Verfahren, ohne dass die Ansprüche verjähren.

Andreas Tilp, einer der 900 Anwälte der Kläger: "Nach KapMuG gab es noch nie einen Prozess mit so vielen Klägern - deswegen betreten wir alle juristisches Neuland." Das weiß keiner so genau. Nur dass es vermutlich lange dauern wird, das ist sicher.