Die Riads von Marrakesch
18. März 2007Ar-Riad ist Arabisch und bedeutet soviel wie "Garten". Doch das deutsche Wort "Garten" vermag kaum die Schönheit zu fassen, die sich hinter den häufig schmucklosen Fassaden der Häuser in Marrakesch verbirgt. Die kunstvolle Architektur der Mosaikfliesen, das Sprudeln erfrischender Brunnen und die bunte Vielfalt der Blumen sind ein überwältigender Anblick für die Besucher. Eine Oase der Frische und Ruhe in der staubigen Hitze einer lebhaften Altstadt.
Drohender Verfall
Doch die Pracht der Riads, die schon vor Jahrhunderten in Marrakesch entstanden, war lange Zeit vom Verfall bedroht. "Die meisten Riads gehörten Großfamilien aus Marrakesch, die ihren Besitz im Laufe der Jahrhunderte unter vielen Erben hatten teilen müssen. Zahlreiche Familienmitglieder waren finanziell nicht in der Lage, die prunkvollen Räume zu pflegen", sagt Bürgermeister Omar Jazouli. Die Relikte einer großartigen Vergangenheit drohten unwiderruflich zerstört zu werden.
Das hat sich geändert. Denn nach einem Aufruf an wohlhabende Kunstliebhaber aus aller Welt erwarben vor allem Ausländer die feudalen Häuser in der Altstadt von Marrakesch und ließen sie renovieren. Viele wurden zu Gästehäusern für Touristen umfunktioniert, die Marrakesch und die Riads als Reiseziel entdeckt haben. Sie suchen hier die Rückbesinnung auf eine andere Zeit, fliehen vor der hektischen Welt der westlichen Zivilisation und verwöhnen ihre Sinne durch die orientalische Pracht.
Riads unverfälscht erhalten
Das Interesse der Touristen hat viele Riads vor dem Verfall gerettet. Doch der Ansturm auf das architektonische Erbe der Stadt hat nicht nur positive Reaktionen ausgelöst. Einwohner und Denkmalschützer kritisieren, dass so manche Restauration alter Häuser nicht gelungen ist. Statt traditioneller Materialien wie Holz und Kalk wurden Eisen und Beton verwendet und dadurch die marokkanische Bauweise missachtet.
Die Kontroverse führte zu engeren gesetzlichen Regelungen, die dazu beitragen sollen, die Riads von Marrakesch in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten. Doch manchem reicht das noch nicht. "Der Gesetzgeber müsste viel mehr auf konkrete Baumaterialen pochen und bestimmte architektonische Merkmale präzise definieren“, klagt der Anthropologe Ahmed Skounti. "Aber wenn Zement, Beton oder Eisen billiger im Einkauf sind als klassische Substanzen, wer schert sich da noch um Traditionen?"
Touristen und Einwohner Tür an Tür
Neben der Sorge um den Denkmalschutz wird auch über die zunehmende Zahl der Ausländer in Marrakesch diskutiert. Touristen und ausländische Hausbesitzer haben vor allem die Lebenskosten für Einheimische in die Höhe getrieben. Doch der Präsident des Tourismus-Verbandes Jalil Benabbès-Taarji hält dagegen: "Tourismus hat nicht nur eine wichtige ökonomische, sondern auch eine politische Rolle. Denn gerade der Tourismus kann unterschiedliche Kulturen zusammenbringen, auf eine intelligente, friedliche und zivilisierte Weise."
In jedem Fall bringen ausländische Gäste Geld ins Land, und Marokko ist um den weiteren Ausbau des Tourismus bemüht. Marrakesch als Kulturstadt gilt dabei als Aushängeschild.
Autoren: Carine Debrabandère und Mohamed Khiyat
Redaktion: Peter Koppen