100 Jahre Willy Brandt
Das Bild vom Kniefall vor den Nazi-Opfern hat Geschichte geschrieben: Es ist eines von vielen bewegenden Bildern Willy Brandts. Zum 100. Geburtstag des Friedensnobelpreisträgers zeigen wir seine wichtigsten Stationen.
Wenn Worte nicht ausreichen
Vor dem Mahnmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto fällt Bundeskanzler Willy Brandt 1970 auf die Knie. Brandt gedenkt damit der Opfer des Nazi-Regimes und leistet stumme Abbitte für die deutsche Kriegsschuld. Das Bild geht um die Welt. Am 18. Dezember 2013 wäre Brandt 100 Jahre alt geworden. Wir blicken zurück auf das Leben des deutschen Kanzlers und Friedensnobelpreisträgers.
Vertreibung ins Exil
Geboren wird Brandt als Herbert Frahm. Erst zur Zeit Hitlers Machtübernahme 1933 nimmt der unehelich geborene Brandt den Namen seiner Mutter an. Aus Angst vor Verfolgung taucht der überzeugte Sozialdemokrat unter und flieht dann nach Oslo. In Skandinavien arbeitet er als Journalist. Von dort aus organisiert er den Widerstand von sozialistischen Exildeutschen gegen Hitler.
Bürgermeister von Berlin
Nach dem Kriegsende 1945 kehrt Brandt nach Deutschland zurück. Als Abgeordneter für Berlin gehört er dem ersten Deutschen Bundestag an. Im Jahr 1957 wird Brandt Regierender Bürgermeister von Berlin. In diese Zeit fällt auch der Bau der Berliner Mauer 1961, die die Stadt teilt. Brandt setzt sich vehement dafür ein, dass Berlin Teil der Bundesrepublik und damit des Westens bleibt.
Besuch von Kennedy in Berlin
Zwei Jahre nach dem Mauerbau besucht der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy Berlin. Zusammen mit dem Berliner Bürgermeister Brandt und Bundeskanzler Konrad Adenauer fährt er im offenen Auto durch die Stadt. Anschließend hält Kennedy eine flammende Rede über den Wert der Freiheit. Auf Deutsch bekundet er mit dem Satz seine Solidarität mit den Westdeutschen und den Berlinern.
Brandts bester Mann
Anfang der 1960er entwickelt Brandt zusammen mit seinem Vertrauten Egon Bahr die Grundlage für seine Neue Ostpolitik. Unter dem Motto "Wandel durch Annäherung" setzen Brandt und sein späterer Minister Bahr auf Annäherung statt auf Abschreckung der osteuropäischen Staaten. Brandt will dadurch auch die Beziehungen zur DDR verbessern.
Im dritten Anlauf Kanzler
Nach zwei verlorenen Bundestagswahlen 1961 und 1965 wird Brandt zunächst nicht Bundeskanzler, sondern Außenminister. 1969 dann doch noch der Erfolg: Brandt wird der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik. Und das obwohl die Christdemokraten die meisten Stimmen bekommen haben. Durch eine Koalition mit den Liberalen sichert sich Brandt die Mehrheit im Parlament.
Deutsch-deutsches Gipfeltreffen
Im ostdeutschen Erfurt kommen zum ersten Mal die beiden deutschen Regierungschefs zusammen: Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph. Die Menschen feiern den westdeutschen Kanzler - eine Blamage für die DDR-Staatsführung. Mehrere Tausend Menschen stürmen zum Hotel der Regierungschefs. Sie jubeln und fordern "Willy Brandt ans Fenster!".
Friedensnobelpreis
Am 10. Dezember 1971 erhält Brandt in Oslo den Friedensnobelpreis. In der Begründung heißt es, der Bundeskanzler habe im Namen des deutschen Volkes "die Hand zu einer Versöhnungspolitik zwischen alten Feindländern ausgestreckt". Brandt wird damit für seine Ostpolitik geehrt, die im Kalten Krieg zur Entspannung zwischen Ost und West beigetragen hat.
Abstimmung mit vielen Fragezeichen
Mehrere Mitglieder seiner Koalition laufen zur Opposition über, aus Protest gegen Brandts Ostpolitik und den Verzicht auf die ehemals deutschen Ostgebiete. Die Opposition spricht Brandt ihr Misstrauen aus und will ihn auswechseln. Doch die Abstimmung 1972 scheitert überraschend, Herausforderer Barzel muss Brandt gratulieren. Später wird bekannt, dass die Stasi Abgeordnete bestochen hatte.
Der Fall Guillaume
Auslöser für Brandts plötzlichen Rückzug 1974 ist die Enttarnung seines engen Mitarbeiters Günter Guillaume als Spitzel der DDR. Guillaume und seine Frau sollen fast 20 Jahre lang in der Bundesrepublik spioniert haben. Brandt wird nachgesagt, sein Rücktritt habe auch andere Gründe: Spekuliert wird bis heute über eine mögliche Depression und Affären zu Frauen.
Die ewigen Kontrahenten
Nach dem Rücktritt Willy Brandts wird Helmut Schmidt neuer Bundeskanzler. Obwohl Schmidt unter Brandt Verteidigungs- und dann Finanzminister war, bleiben die Parteifreunde größte Konkurrenten. Dabei unterscheidet sich ihr Politikstil grundlegend: Brandt gilt als Visionär, wird entweder verachtet oder geliebt. Schmidt hingegen wird als Pragmatiker geschätzt.
Der Weltsozialdemokrat
1976 wird Brandt Präsident der Sozialistischen Internationale, dem weltweiten Zusammenschluss sozialistischer Organisationen. In dieser Funktion trifft er Staatschefs wie Fidel Castro, Michail Gorbatschow und PLO-Chef Jassir Arafat. Er macht die Organisation wieder zu einer geachteten Stimme in der internationalen Politik.
Der "Eiserne Vorhang" fällt
Am 9. November 1989 öffnet sich die Berliner Mauer, die für 28 Jahre die Stadt teilte. Gleich am nächsten Morgen fliegt auch Willy Brandt nach Berlin. In einer Rede verkündet er seine Dankbarkeit dafür, diesen besonderen Tag erleben zu dürfen. Im Hinblick auf die Einigung Deutschlands und Europas sagt Brandt: "Es wächst zusammen, was zusammengehört."