Über zwei Milliarden Menschen zu dick
12. Juni 2017Die Forscher nennen es "eine wachsende und beunruhigende weltweite Krise der öffentlichen Gesundheit" und meinen damit, dass immer mehr Menschen zu dick sind. Sie schätzen, dass im Jahr 2015 über 700 Millionen Menschen fettleibig waren, also einen Body-Mass-Index (BMI) von über 30 hatten. Weitere 1,5 Milliarden Menschen waren der Studie zufolge übergewichtig mit einem BMI von 25 bis 30.
Den Forschungsergebnissen nach müssen nicht nur viele Erwachsene dringend abnehmen, sondern auch Kinder: Etwa sieben Prozent der Kinder weltweit seien bereits in einem Alter von zwei bis vier Jahren fettleibig.
Ein internationales Forschungskonsortium unter der Leitung des Instituts für Gesundheitsmetrik und -auswertung an der Universität von Washington in den USA hat die Daten von 68,5 Millionen Menschen ausgewertet. Mit Hochrechnungen schätzten sie ein, wie verbreitet Übergewicht weltweit ist. Zur Klassifizierung benutzten sie den Body-Mass-Index, der - wenn auch teilweise umstritten - das Verhältnis von Muskeln, Fett und Knochen zueinander abschätzt. Der Wert sollte bei gesunden Personen weniger als 25 betragen.
Die Studieist am Montag (12.06.2017) im "The New England Journal of Medicine" erschienen.
Wo die meisten dicken Menschen leben
Seit 1980 hat der Anteil an fettleibigen Menschen in fast allen Ländern zugenommen, schreiben die Forscher. In 73 Ländern hat sich die Zahl sogar verdoppelt.
Auf Platz Eins der traurigen Liste steht Ägypten: 35 Prozent seiner erwachsenen Bevölkerung ist fettleibig. Saudi-Arabien, der Irak und die USA stehen ebenfalls hoch oben auf der Liste. Die USA hat auch den größten Anteil an fettleibigen Kindern und Teenagern: fast 13 Prozent aller Menschen unter 20 Jahren sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu dick. Kanada, Saudi-Arabien, der Oman und Ägypten folgen auf dem Fuß.
Was die absoluten Zahlen angeht, leben die meisten fettleibigen Kinder in Indien und China; die meisten fettleibigen Erwachsenen in den USA und China. Die hohe Bevölkerungszahl dieser Länder spielt hier natürlich mit rein.
Überraschend ist vielleicht, dass in allen Ländern und allen Bevölkerungsgruppen mehr Frauen als Männer fettleibig sind. Bei Kindern zeigt sich dieser Unterschied noch nicht so stark, aber bereits bei Menschen ab 25 Jahren wird er deutlich.
Außerdem ist der Anteil von Fettleibigen in reichen und gut ausgebildeten Ländern und Bevölkerungsschichten höher. In Afrika und Südostasien hingegen sind übergewichtige Menschen noch selten. In Bangladesch und Vietnam etwa sind nur ein Prozent der Menschen fettleibig - die niedrigsten Werte weltweit.
Eine Frage der Hochrechnung
Dies ist nicht die erste Studie, die vor einem alarmierenden Anstieg von Fettleibigkeit rund um den Globus warnt. Im Jahr 2014 etwa berichtete ein Forscherteam im Journal "The Lancet", dass Übergewicht seit 1980 in allen Ländern emporgeschnellt sei, vor allem auch bei Kindern. Im Jahr 2014 seien 640 Millionen Erwachsene fettleibig gewesen.
Verglichen mit dem jetzt veröffentlichten Wert von 604 Millionen im Jahr 2015 zeigen sich geringe Unterschiede. Das liegt daran, dass solche Studien niemals alle Menschen vermessen können. Die Wissenschaftler generieren ihre Daten an einer kleinen Gruppe von Menschen und rechnen die Zahlen dann auf die Weltbevölkerung hoch. Auch können Definitionen variieren, etwa die Frage, wann jemand als Erwachsener zählt. Einige Studien gehen von 18, andere von 20 Jahren aus.
Dicke sterben früher
Aber egal, wie die genauen Zahlen aussehen - der Trend bleibt bei allen Studien derselbe: Die Weltbevölkerung wird dicker und dicker, mit einer alarmierenden Geschwindigkeit, wie die Wissenschaftler sagen.
Laut der jetzt veröffentlichten Studie gibt es dafür vor allem einen Grund: Energiereiche Lebensmittel sind für alle Menschen besser zugänglich - und sie können sie sich immer öfter leisten. Auch "das intensive Marketing solcher Produkte" sei dafür verantwortlich. Die Weltgesundheitsorganisation hat europäische Gesetzgeber bereits dazu aufgefordert, Werbung, die Kindern Lebensmittel anpreisen will, besser zu regulieren.
Ganz klar: Wir essen zu viel und wir essen die falschen Dinge. Und riskieren damit unser Leben. "Menschen, die eine Gewichtszunahme achselzuckend abtun, gehen Risiken für ihre Gesundheit ein", sagt Christopher Murray, Leiter des Instituts für Gesundheitsmetrik und -auswertung an der Universität von Washington.
Diese Risiken seien Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes, Krebs "und andere lebensbedrohliche Zustände". Vier Millionen Menschen seien im Jahr 2015 an den Folgen von zuviel Fett am Körper gestorben.
Eine Studie, die 2016 ebenfalls in "The Lancet" erschien, kam zu dem Ergebnis, dass Übergewicht die Lebenserwartung um ein bis zehn Jahre verkürzt - es ist unter Umständen also genauso gefährlich wie Rauchen.
Und noch etwas kann lebensverkürzend sein: zu wenig Bewegung. Es kann sogar gefährlicher sein als Übergewicht selbst, warnten Forscher von der Universität Cambridge. Sie berichteten, dass zu wenig Bewegung mehr Tode in Europa verursacht als Fettleibigkeit. "Ein strammer 20-minütiger Spaziergang jeden Tag reicht aus, um das Risiko eines frühen Todes zu verringern", versichern sie.
Also: Um ein langes und gesundes Leben zu haben, sollten wir weniger Kalorien essen und mehr Sport treiben. Das ist zusammengefasst genau das, was uns Studien solcher Art sagen wollen - immer und immer wieder.