Sierens China: Balkan ohne Grenzen

Südosteuropa bietet China, was man in Brüssel gerne verhindern würde: Den Zugang zu Märkten in Europa. Der China-Besuch des serbischen Präsidenten erinnert die EU schmerzlich daran, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

China Präsident Xi Jinping zu Besuch in Serbien
Chinas Präsident Xi Jinping und Serbiens Präsident Tomislav Nikolic am 18. Juni 2016 in BelgradBild: picture-alliance/dpa/K. Sulejmanovic

Im umfangreichen Portfolio der Staaten, zu denen China gute Beziehungen pflegt, ist Serbien keines der Länder, das sofort ins Auge fällt. Und doch muss man sich die Beziehung der beiden Länder genauer anschauen, wenn man verstehen will, wie China in den europäischen Markt vordringt. Denn anders als die Nachbarn Ungarn, Rumänien oder Bulgarien betreffen Serbien als Nicht-Mitglied der EU nicht alle wirtschaftlichen Regularien und Einschränkungen, die es in Europa nun einmal gibt. So konnte sich Serbien auch in den vergangenen Jahren viel enger mit China verflechten als seine EU-Nachbarn. Und es gab nur wenig, was die EU-Politiker Chinas Initiativen entgegen setzen konnten.

Großer Bahnhof für Präsident Nikolic

Diese Woche kommt Serbiens Präsident Tomislav Nikolic für einen zweitägigen Besuch nach Peking. Dass dies nicht nur eine Randnotiz für Peking ist, zeigt der Empfang, der ihm gemacht wird: Sowohl Präsident Xi Jinping, als auch Premier Li Keqiang sowie der Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses, Zhang Dejiang, werden ihm den roten Teppich ausrollen. Das Triumvirat der politischen Macht in China nimmt sich für Serbiens Präsidenten Zeit. Nikolic wird sogar zum Ehrenbürger Pekings ernannt. Was im Grunde nur eine Formalität ist, zeigt, wie ernst Peking die Beziehung nimmt. Nikolic sieht nicht nur die politische Topführung Chinas, sondern wird auch mit Kontakten zu Unternehmern versorgt - zum Beispiel mit Huawei, dem Konzern für Kommunikationstechnologie, dessen Manager ein Auge auf den serbischen Markt geworfen haben.

Frank Sieren *PROVISORISCH*
China-Experte Frank Sieren Bild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Vergangenen Monat bereits begann eine chinesische Firma mit Bauarbeiten der an der Autobahn E-763 zwischen Surcin und Obrenovac. Präsident Xi selbst war im Sommer vergangenen Jahres in Serbien, um den Vertrag zu unterzeichnen. Anfang März wurde bekannt, dass der Verkauf einer Kupfermine samt Verhüttung namens RTB Bor an ein chinesisches Unternehmen fast schon in trockenen Tüchern ist. Der Bau eines Industrieparks unter Führung der China Road and Bridge Corporation, kurz CRBC, hat bereits begonnen.

Das Interesse Chinas am Aufbau der serbischen Infrastruktur ist groß. Für einen Autobahnring rund um Belgrad sind gerade vor ein paar Tagen knapp über 200 Millionen Euro von chinesischen Investoren zugesagt worden. Noch unklar ist, ob die geplante Zugstrecke zwischen Belgrad und Budapest von Chinesen gebaut wird. Ursprünglich war die rund 350 Kilometer lange und etwa 2,6 Milliarden Euro teure Strecke an die China Railway International Corporation vergeben worden. Doch die EU hat angekündigt, die Vergabe des Projekts in Ungarn zu überprüfen, weil es keine öffentliche Ausschreibung gegeben hat, wie es europäische Richtlinien für solche Projekte vorsehen. Das ist die einzige Schnittstelle, an der Brüssel sich einmischen kann: transeuropäische Projekte. Serbien selbst spielt weiterhin außerhalb des wirtschaftlichen EU-Regelwerks.

Visafreies Reisen bereits vereinbart

Andernfalls hätte man in Brüssel sicher auch etwas gegen die vereinfachten Visa-Richtlinien unternommen, die der Balkanstaat mit China im vergangenen Jahr ausgehandelt hat. Bürger beider Länder brauchen nun für Trips, die weniger als 30 Tage dauern, kein Visum mehr zu beantragen. Davon träumen die Deutschen! Ein Schritt, von dem sich gerade Serbien in Zukunft einen kleinen Touristen-Boom erhofft. Auf der jährlichen Tourismus-Messe des Landes, die im Februar stattfand, nahm China erstmals offiziell Teil.

Noch steht Serbien nicht ganz weit vorne bei den Urlaubszielen der Chinesen, aber immerhin steigen die Zahlen. 2016 waren es 29 Prozent mehr Touristen als im Vorjahr. 43.000 Besucher im Jahr bilden zwar noch lange kein wirtschaftliches Standbein, im Vergleich zu 12.000 Touristen in 2011 ist es allerdings ein Anfang, mit dem man arbeiten kann. Die Hoffnung von Premier Aleksandar Vucic liegt nun auf einer direkten Flug-Verbindung Belgrad-Peking. Für die diesjährige Messe wurde auch erstmals eine Broschüre mit zwei Länder-Trips für Chinesen entworfen. Einer davon heißt „Balkan ohne Grenzen". Was für die einen nach einem friedlichen Urlaub klingt, lässt die Strategen in Brüssel wohl eher erblassen - klingt es doch zu sehr nach Europa durch die Hintertür.

Unser Korrespondent Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.