Einheit und Spaltung in Côte d’Ivoire

Die Präsidentschaftswahlen in Côte d’Ivoire bestätigten Ende Oktober Alassane Ouattara im Amt. Die Opposition hielt die Kandidatur für illegal, da die Verfassung eine dritte Amtszeit verbietet.

Artikelbild Weltzeit 3 | 2020 | Einheit und Spaltung in Côte d’Ivoire
Anhänger der Oppositionsparteien protestieren nach dem Wahlsieg von Präsident Alassane Ouattara und bezeichnen seine Kandidatur als illegal.Bild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Im Jahr 2010 waren die Ivorer im Westen Afrikas zur Wahl aufgerufen. Zwei Männer wetteiferten um die Macht: Alassane Ouattara und Laurent Gbagbo. Ouattara wurde zum Präsidenten ernannt, Gbagbo verhaftet und der internationalen Justiz übergeben.

In den vergangenen zehn Jahren kostete der Bürgerkrieg nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 3.000 Menschen das Leben. Nur eine internationale Intervention konnte wieder für Frieden im Land sorgen.

Eine Dekade später ist die Spaltung unter den Ivorern immer noch spürbar – und nimmt weiter zu. Die seit 2011 oft geforderte Versöhnung hat nie stattgefunden. Viele befürchteten eine neue Krise, nachdem Ende Oktober Präsident Ouattara zum Wahlsieger ausgerufen wurde. 

Die Opposition, die zuvor zum Wahlboykott aufgerufen hatte, ohne sich offiziell aus dem Wahlprozess zurückzuziehen, ernannte kurzerhand einen Nationalen Übergangsrat – also eine Art Parallelregierung. Zahlreiche Oppositionelle wurden verhaftet, ihre Häuser von Sicherheitskräften umzingelt. Es gab Demonstrationen und Tote.

Wie konnte es wieder so weit kommen? Schon vor der Wahl war die Unzufriedenheit groß, immer dieselben Politiker beherrschen das Geschehen. Nur vier Kandidaten wurden ausgewählt, sich zur Wahl zu stellen – obwohl sich 44 Personen beworben hatten. Der Kandidat, den Ouattara, weil er selbst nicht mehr kandidieren durfte, als seinen Nachfolger nominiert hatte, starb wenige Wochen vor der Wahl. Eine Lücke, die laut Ouattara so schnell nicht geschlossen werden konnte. Es musste eine Lösung her – und die wurde mit einem juristischen Kniff auch gefunden.

Artikelbild Weltzeit 3 | 2020 | Einheit und Spaltung in Côte d’Ivoire
Die Ivorer feiern den Sieg des Präsidenten in Abidjan Anfang November. Bild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Die drei anderen Kandidaten waren ebenfalls „alte Bekannte“: Henri Konan Bédié von der Partei PDCI, ehemaliger Präsident der Republik, der 1999 nach einem Staatsstreich die Macht verlor; Pascal Affi N’Guessan, Präsident der ehemaligen Regierungspartei FPI, die sich vor mehreren Jahren gespalten hatte; und Kouadio Konan Bertin, ein PDCI-Dissident und unabhängiger Kandidat.

Ein Teil der Bevölkerung hatte schon vor der Wahl einen Machtwechsel gefordert und wirft den Ministern Veruntreuung, schlechte Regierungsführung, die grundlose Inhaftierung von Oppositionsführern und Vetternwirtschaft vor.

Die Medien sind eingeschränkt in ihrer Berichterstattung. Die oppositionelle Presse wird von der Staatsanwaltschaft an der kurzen Leine gehalten. Der Opposition nahestehende Journalisten wurden zu Geldstrafen verurteilt, weil sie angeblich eine Regierungsbehörde diffamiert hatten.

Es gibt Versuche, Junge gegen Ältere sowie die Religionsgemeinschaften, insbesondere Christen und Muslime, gegeneinander auszuspielen.

Es gibt starke Spannungen zwischen Nord und Süd. Zuverlässigen Informationen zufolge sollen die Behörden in einigen Vierteln Abidjans junge Menschen aus dem Norden bewaffnen, aus Angst, die Macht zu verlieren. Es gibt zudem Versuche, Junge gegen Ältere sowie die Religionsgemeinschaften, insbesondere Christen und Muslime, gegeneinander auszuspielen.

Seit 2011 an der Macht, wird Alassane Ouattara vorgeworfen, einzelne Städte im Norden, die einen rasanten Aufschwung erleben, begünstigt zu haben. Abgesehen davon besteht nach wie vor ein wirtschaftliches Gefälle zwischen dem Süden und Regionen im Norden. So zieht der Norden wegen schlechter Bedingungen und unzureichender Infrastruktur nur selten Wirtschaftsunternehmen an.

Seit neun Jahren ist auch ein Zerfall innerhalb der wichtigsten Oppositionsparteien zu beobachten. In der politischen Landschaft kommt es zur Spaltung innerhalb mehrerer Parteien. Eine Entwicklung, die der regierenden Partei hilft, an der Macht zu bleiben.

Bis zur Wahl kam es glücklicherweise unter jungen Leuten nicht zu einer Spaltung nach Regionen. Trotz ihrer Herkunft standen junge Menschen aus dem Norden bei der jüngsten Wahl den Kandidaturen von Henri Konan Bédié und Affi N’Guessan positiv gegenüber, beide Politiker kommen aus dem Osten des Landes.

Dies gilt auch für den Präsidenten. Obwohl er ursprünglich aus dem Norden stammt, gehören zu seinen Anhängern junge Menschen aus der Mitte des Landes und aus dem Süden. Es bleibt zu hoffen, dass die jungen Ivorer die Spaltung in ihrem Land friedlich überwinden können.

Das aber scheint in der derzeit angespannten Lage nach der Wahl zunehmend ungewiss. Die Spannung unter den Ethnien nimmt zu.

Julien Adayé

Julien Adayé

ist seit zwölf Jahren Korrespondent der DW in Côte d’Ivoire. Vor der Wahl Ende Oktober wurde er von der Polizei in Abidjan gehindert, über eine Demonstration zu berichten. Die Begründung: Die Demonstration sei verboten, deshalb dürfe der Journalist nicht darüber berichten.